: Geschmiedetes Blattwerk
Die Stiftung Historische Kirchhöfe sanierte mit Lottogeldern kostbare Denkmäler auf sieben Berliner Friedhöfen. Doch der erneute Verfall ist so gut wie vorprogrammiert
Die Friedhöfe in Berlin sind nicht nur grüne Oasen inmitten der unruhigen Stadt. Sie beherbergen auch geschichtlich bedeutende Denkmäler und Gartenanlagen, die, seit Jahrzehnten vernachlässigt, mehr und mehr zuwachsen und verfallen. Die Gittergräber auf dem Friedhof der Georgen-Parochial-Gemeinde in Friedrichshain sind dafür nur ein Beispiel. Die kunstvoll geschmiedeten Zäune um die ehemaligen Familiengräber mit Ornamenten aus rankendem Blattwerk waren über die Jahrzehnte stark angerostet. Baumwurzeln taten ein Übriges und drohten sie aus ihren Verankerungen zu drücken.
Jetzt hat die Stiftung Historische Kirchhöfe und Friedhöfe in Berlin-Brandenburg mit Hilfe von Lottomitteln einen Teil dieser Gräber restaurieren lassen. „Wir haben versucht, die Struktur des nahezu einzigartigen Gittergrabfeldes zu erhalten“, sagt Stiftungsmitglied Dennis Bilbrey. Diese Art der Gräber war im 19. Jahrhundert sehr typisch. In den Sechziger- und Siebzigerjahren hätten die meisten Friedhofsverwaltungen die langsam rostenden Zäune jedoch entfernt, weil sie beim Mähen störten und aus der Mode waren.
Insgesamt 4,8 Millionen Mark habe die Stiftung 1996 aus der Klassenlotterie für den Erhalt wichtiger Teile auf sieben Berliner Friedhöfen bekommen. Jetzt seien sämtliche Arbeiten, die mit dem Geld möglich waren, abgeschlossen, erklärt Bilbrey.
Ein Drittel der Summe floss in den Georgen-Parochial-Friedhof. Auf den alten Gräbern wachsen wieder originalgetreu und pflegeleicht Efeu, Immergrün und Rosenstöcke. In einer anderen Ecke des Friedhofs wurde ein Mausoleum, das Familiengrab eines ehemaligen Hofgärtners und eine ganze Reihe Wandgräber restauriert.
Pfarrer Wolf Mankiewicz hat allen Grund, zufrieden zu sein. Und doch weiß er nur zu gut, „dass der Verfall der restaurierten Teile schon wieder vorprogrammiert ist“. Wenn sich niemand für die alten verlassenen Gräber verantwortlich fühlt, werden sie innerhalb von fünf Jahren wieder zuwachsen, rosten und verwittern. Mit den Friedhofsgebühren könne nur die Pflege der aktuellen Gräber bezahlt werden.
Einen Ausweg sieht der Pfarrer darin, dass Privatpersonen die herrenlosen Denkmalanlagen für sich als Familiengrab entdecken und die Kosten für die Pflege übernehmen. „Im Trend“ liege zwar für viele das billige anonyme Grab auf der grünen Wiese. Doch gebe es auch immer mehr Menschen, die sich für eine repräsentative Ruhestätte interessieren. EPD
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