Schon Rang zwei wäre bitter

Die deutschen Fußball-Frauen eröffnen heute gegen Schweden die Europameisterschaft im eigenen Land. Dabei verfolgen die DFB-Spielerinnen ganz offen nur ein Ziel: Die Titelverteidigung

von REINER HENNIES

Die Schwedinnen kamen als Erste. Bereits am Dienstag bezogen sie Quartier in Erfurt, gemeinsam mit den Engländerinnen. Ihnen folgten die Russinnen und am Donnerstag schließlich die Deutschen, die per Bus angereist kamen aus ihrem Trainingslager im niederrheinischen Kevelaer. Die Fußball-Europameisterschaft der Frauen in Deutschland ist also doch noch ins Rollen gekommen, spät zwar, aber immerhin rechtzeitig vor dem Startpfiff. Der ertönt heute in Erfurt, wo ab 14.15 Uhr Deutschland – Gastgeber, Titelverteidiger und Turnierfavorit – im Auftaktspiel auf Schweden trifft.

Ob das EM-Fieber mit Spielen in Erfurt, Jena, Aalen, Ulm und Reutlingen in den nächsten zwei Wochen wohl aufs Land überschwappt? „Das hängt in erster Linie von unserer Leistung ab“, sagt Tina Theune-Meyer, die DFB-Cheftrainerin. Zuletzt war die Leistung ihrer Mannschaft ganz passabel, ein 7:1 legten die DFB-Kickerinnen beim letzten Testspiel gegen Kanada auf den Rasen. Das hört sich gut an, muss aber zumindest relativiert werden. Wofür denn auch prompt die Norwegerinnen, Olympiasieger und zweiter EM-Favorit, sorgten. Auch sie spielten gegen Kanada, auch sie gewannen inflationär – und gar noch mit zwei Toren mehr.

Aber letztlich ist all das nichts anderes als das übliche Vorgeplänkel. „Die Mannschaft ist in guter Form, sie hat sich zuletzt spielfreudig und torhungrig gezeigt. Es gibt keine Verletzten. Kanada hat noch mal einen Schub an Selbstvertrauen gebracht“, fasst Theune-Meyer die Bedingungen zusammen, unter denen ihr Team ins Turnier startet, ohne sich davon zu Leichtsinn verführen zu lassen. „Natürlich wird Schweden weitaus besser organisiert sein als Kanada und uns lange nicht so viele Torchancen ermöglichen“, warnt die Bundestrainerin vor dem ersten Turniergegner, der immer der schwerste ist, zumal für den favorisierten Titelverteidiger.

Als allzu große Last scheinen die deutschen Fußball-Frauen dies freilich nicht zu empfinden. „Ich bin optimistisch, wir sind auf einem guten Weg“, sagt etwa Birgit Prinz locker flockig. Die Offensivspielerin vom 1. FFC Frankfurt befindet sich derzeit in Weltklasseform, was das ganze Team beflügeln dürfte. Wozu das führen soll, verdeutlicht ihre Frankfurter Mannschaftskameradin Renate Lingor. „Platz zwei bei dieser EM wäre bitter“, meint die, auch Claudia Müller vom WSV Wendschott flirtet ziemlich offen mit der Titelverteidigung: „Eine EM im eigenen Land ist besonders interessant, schon weil wir da vor eigenem Publikum zeigen können, was wir drauf haben. Natürlich wollen wir den EM-Titel bestätigen.“

So oder so ähnlich klingt das bei allen deutschen Spielerinnen, die man befragt: Alle wollen sie sich vor heimischem Publikum beweisen, alle wollen sie ins Finale – und sich dort möglichst an Norwegen rächen für das Aus im olympischen Halbfinale im letzten Jahr in Sydney. Dass sie die EM-Trophäe im Falle des dritten Erfolges in Serie nach 1995 und 97 gar endgültig behalten dürften, ist da fast zur Randnotiz verkommen, bis vor kurzem haben es die DFB-Frauen jedenfalls selbst nicht gewusst.

Ohnehin geht es für die deutschen Frauen in erster Linie erneut um die Ehre – und eben nicht ums Geld, schon weil der Amateurstatus im DFB nach wie vor nichts anderes ermöglicht. „Wir bekommen die üblichen Sporthilfesätze“, sagt Spielführerin Doris Fitschen, die zusammen mit Maren Meinert und Bettina Wiegmann allerdings einen Sonderstatus genießt: Die drei Frauen spielen seit einem Monat in der neu gegründeten Frauen-Profiliga in den USA und kassierten dort zuletzt Bestnoten am laufenden Band. Schon deshalb sollen sie auch für das deutsche Team wichtige Stützen im Kampf um die EM-Krone sein.

Aber auch Eröffnungsspielgegner Schweden überzeugte zuletzt in seinen Testspielen und hat dabei einiges Selbstvertrauen getankt, unter anderem durch einen 5:2-Sieg über Kanada. „Unser Ziel ist das Halbfinale“, sagt entsprechend forsch Marika Domanski, die Cheftrainerin, zumal die letzten Aufeinandertreffen mit den Deutschen stets knapp endeten. Zuletzt, beim Olympiaturnier, hieß es am Ende immerhin 1:0 für Deutschland.