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Der tägliche Amoklauf

■ Treffen zweier Verkehrsrowdys auf der Straße und vor Gericht

So etwas gilt als Alltag vor Gericht. Als etwas, das zwar verurteilt werden muss, aber wahrlich nicht von öffentlichem Interesse ist. Erstaunt zeigen sich Richter und Staatsanwalt über die Medienpräsenz im Saal. Denn jeder Autofahrer kennt diese Ungeduld, die einen packt, wenn man es eilig hat und im Stau auf der Autobahn steht. Nachsicht, nicht Missbilligung ist eine übliche Reaktion, wenn da einer mal die Nerven verliert. Volker J. aber hat andere Fahrer einer erheblichen Unfallgefahr ausgesetzt. Immerhin ist nichts passiert, er zeigt sich reuig, und so stellt das Alto-naer Amtsgericht das Verfahren gegen eine Geldbuße in Höhe von 5000 Mark ein.

Es ist der 29. Mai 2000, und der Geschäftskunde wartet. Der Termin ist dringend, Volker J. ist spät dran. Erst der Nerv in der City, alle Ampeln wie immer rot, dann auch noch ein Stau auf der Autobahn A 7 kurz vor dem Elbtunnel, die drei Spuren verengen sich auf zwei. Volker J. reiht sich ein, andere tun es nicht und fahren links vorbei, um sich vorne dann unschuldig einzufädeln. Aber auch er hat es eilig, und mit seiner Stimmung ist es sowieso nicht zum besten bestellt. Da kommt wieder einer von hinten angefahren, jetzt reichts. Volker J. schert aus und stellt sich dem anderen mit seinem Wagen quer in den Weg. Der weicht gerade eben noch aus.

Auch dieser, gestern als Zeuge geladen, räumt ein, sich nicht verkehrsgerecht verhalten zu haben. Wutentbrannt über Volker J. hatte er seinen Wagen dann ebenfalls auf der Fahrbahn quergestellt, war ausgestiegen und hatte den anderen beschimpft. „Ich sage nicht, dass mein Verhalten richtig ist“, sagt er vor Gericht und fragt den Angeklagten: „Aber haben Sie schon einmal Angst um Ihr Leben gehabt?“

Hätten die Prozessparteien sich nicht auf Einstellung geeinigt, hätte der Führerschein von Volker J. für mehrere Monate gesperrt werden können. So aber kann er weiter fahren. Der Richter gibt ihm noch mahnende Worte mit auf den Weg: „Seien Sie froh, dass da nichts Schlimmerers rausgekommen ist. Ich meine auf der Autobahn, nicht hier.“ Elke Spanner

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