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Zwei Polizisten bleiben suspendiert

■ Offenbar haben sie einem Ukrainer 39.000 Mark geklaut / 26.000 Mark haben sie inzwischen zurückgegeben / Staatsanwalt sieht inzwischen „menschliche“ Tragödie bei den Angeklagten

Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat die Berufung der beiden Polizisten, die vor acht Jahren im so genannten „Pullover“-Fall einem Ukrainer rund 39.000 Mark geklaut haben sollen, abgelehnt. Nach einem Disziplinarverfahren waren Ralf W. und Thorsten Sch. schon im Februar 2000 wegen Unterschlagung aus dem Polizeidienst entlassen worden. Dieses Urteil ist seit heute rechtskräftig – trotz Unklarheiten.

„Ja, es gibt Ungereimtheiten, ob sich alles so zugetragen hat“, sagte Richter Günther Pottschmidt. „Aber es gibt keine Konstruktion, die das Gegenteil beweist.“ Staatsanwalt Michael Gottschalk hatte nach stundenlangen Beratungen der Richter gebeten, nach mittlerweile acht Jahren auch „menschliche“ Aspekte ins Urteil einfließen zu lassen. Anwalt Bernd Stege kündigte an, den „Pullover“-Fall noch einmal neu aufrollen zu wollen.

„Ich bin unschuldig und hoffe, dass das irgendwann auch jemand glaubt.“ Auch gestern bestritt Ex-Polizist Thorsten Sch. vehement, dass er am Gründonnerstag 1994 Igor P. das Geld stahl, mit dem der für eine Firma in der Ukraine zwei Laster kaufen wollte: zwei dicke Geldbündel mit Dollars und Mark im Wert von rund 39.000 Mark.

Der Ukrainer war bei Karstadt verdächtigt worden, einen Pullover geklaut zu haben. Als der Kaufhausdetektiv die Streifenpolizisten rief, soll Igor P. schon mit 16.000 Mark gewedelt haben, damit Karstadt die Angelegenheit „vergesse“. Bei der Durchsuchung stellte Polizist Ralf W. Pässe und Geldbündel sicher. Weil sie einen Schließfachschlüssel fanden, nahmen sie Igor P. mit zum Hauptbahnhof. Dort fanden sie nichts Verdächtiges und gaben die Pässe zurück. Strittig ist, ob sie auch an das Geld dachten. Auf jeden Fall ließen sie Igor P. auf dem Bahnhofsplatz zurück. Der schrie „Money, money!“ und zeigte den Fall an.

Zivil- und strafrechtlich haben die Polizisten schon in mehreren Instanzen verloren, eine Verfassungsbeschwerde wurde nicht angenommen. Ralf W. lebt inzwischen in Schweden, „weil er mit Deutschland abgeschlossen hat“, sagte Anwalt Frank Lutz – im Übrigen der Rechtspolitiker der Bremer CDU, der verdächtigt wird, Geld von Mandanten unterschlagen zu haben („Dazu sage ich nichts“).

Richter Pottschmidt folgte dem Urteil des Strafgerichts. „Gibt es im Kerngeschehen eine andere Version?“, fragte er. „Nein. Wenn der Ukrainer alles inszeniert hätte, hätte er auch den Pullover-Klau anzetteln müssen.“ Oder Igor P. hätte nach der Verhaftung „den Genieblitz“ gehabt, „das Geld einzustecken, und dann direkt zur Bahnhofswache zu gehen. Das ist alles kaum vorstellbar.“

Dagegen betonten die Anwälte, dass Richter wie Staatsanwälte in den vergangenen Verfahren parteiisch gewesen seien. Außerdem sei höchst zweifelhaft, dass der Ukrainer überhaupt so viel Geld mit nach Deutschland hätte nehmen können: Das sei 1994 in der Ukraine illegal gewesen. Polizist Thorsten Sch. behauptet, er habe lediglich 6.000 Mark gesehen. Inzwischen haben die Verurteilten nach einem Vergleich 26.000 Mark gezahlt.

Beobachter schätzen, dass sich die Gerichtskosten nach acht Jahren auf inzwischen fast 100.000 Mark belaufen. Thorsten Sch., seit 23 Jahren im Dienst, war schockiert: „Es kann doch nicht sein, dass sich das Gericht nur auf die Aussagen eines Zeugen stützt.“ ksc

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