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Bremer CDU gegen Merkel & Co.

■ Beim Thema Einwanderung setzen CDU-Fraktionschef Eckhoff und der künftige Innensenator Böse auf Rita Süssmuth und die SPD: „Ausländer in Bremen kein Wahlkampfthema“

Die Bremer CDU geht in der Ausländerdebatte auf Gegenkurs zu den Christdemokraten im Bund. Fraktionschef Jens Eckhoff sowie der designierte Innensenator Kuno Böse begrüßten am Donnerstag einhellig die Vorschläge der Einwanderungskommission unter Leitung von Rita Süssmuth (CDU). „Es ist richtig und notwendig, sich in Deutschland endlich zur Zuwanderung zu bekennen“, sagte Eckhoff der taz.

Für einen ähnlichen Entwurf der Jungen Union (JU) sei Eckhoff noch 1996 als JU-Chef auf dem CDU-Parteitag gerügt worden. Er hoffe jetzt, dass die Kritik der Bundes-Union am Süssmuth-Papier“ nicht nur Wahlkampftaktik“ sei. In Bremen würde die CDU Ausländer 2003 auf jeden Fall „nicht zum Wahlkampfthema“ machen, sagte Eckhoff. „Ich hoffe, das passiert auch im Bund nicht – dafür ist das Thema viel zu wichtig.“

Während führende Unions-Vertreter wie Parteichefin Angela Merkel in den Empfehlungen der Süssmuth-Kommission „keine Grundlage“ für ein neues Einwande-rungsgesetz sahen, betonte Bremens CDU-Fraktionschef, dass „die großen Parteien gemeinsam auf einen Gesetzentwurf setzen“ sollten.

Auch Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) irrt sich in den Bremer Unionsgenossen. Gestern hatte er noch behauptet, „alle Innenminister“ der Länder seien „meilenweit“ von den Süssmuth-Vorschlägen entfernt. Dagegen schwenkte der als konservativ geltende zukünftige Innensenator Böse voll auf die Linie der Süssmuth-Kommission ein. Insbesondere die geplanten 50.000 Einwanderer pro Jahr hält Böse für „eine realistische Zahl, auf die Deutschland sich einstellen kann.“ Dagegen spricht die Bundes-Union von „Zuwanderungsbegrenzung“, eine konkrete Zielzahl lehnt sie ab.

Eckhoff geht sogar noch weiter. Er meint, dass 50.000 Einwanderer „mittelfristig noch zu wenig“ sein werden. „Wenn wir es nur schaffen, die Zuwanderung vernünftig zu steuern, ist die Zahl letztlich egal.“

Auch bei der Begründung der CDU-Linie zur Ausländerpolitik trennen Bremen und Berlin Welten: Während die Bundes-CDU die Einwanderung „aus demographischen Gründen“ strikt ablehnt, betont Eckhoff, „Deutschland brauche Einwanderer, um die Überalterung der Bevölkerung zu stoppen“.

Die Distanz zu Merkel, Beckstein & Co. habe ihre Ursachen in den Bremer Bedingungen, meinte Eckhoff. Wenn er sich in vielen Punkten von der Berliner Parteilinie entferne, liege das daran, dass Immigration in Städten wie Bremen akzeptiert sei. „Auf dem flachen Land sieht das oft anders aus“, meint Eckhoff. „Darauf muss die Bundespartei Rücksicht nehmen.“

Damit Einwanderung in ganz Deutschland endlich zum „gesellschaftlich akzeptierten Prozess“ werden könne, fehlen dem CDU-Fraktionschef noch Punkte im Zuwanderungsbericht der Süssmuth-Kommission: „Leute, die in erster Linie nach Deutschland kommen, um Straftaten zu begehen, müssen leichter abgeschoben werden können.“ Auch der zukünftige Innensenator Kuno Böse betonte, zunächst müssten „hier bereits rechtmäßig lebende ausländische Mitbürger“ integriert werden.

Eckhoff will die Integration wie die Süssmuth-Kommission durch Sprachkurse fördern. Während die Bundes-CDU aber Sanktionen bis hin zur Abschiebung für Zuwanderer vorsieht, die nicht an den Kursen teilnehmen wollen, meint der Bremer Fraktionschef, „ein bisschen Druck durch Kürzen der Sozialhilfe“ reiche völlig aus.

Ebenso beim Familiennachzug ist Eckhoff noch von der Berliner Kommission entfernt: „Wir wollen das Nachzugsalter der Kinder auf sechs bis zehn Jahre absenken, dieSPD will es von derzeit 16 auf 18 Jahre erhöhen: Ich denke, die Mitte liegt bei 14.“ ksc

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