„Ich bin kein Ideologe“

Frank Steffel, Spitzenkandidat der Berliner CDU, kämpft für seine „unglaublich weltoffene Generation“. Und gegen marxistisch-sozialistische Experimente in Berlin. Mit Homosexuellen hat er keine Probleme. Er war schließlich sehr oft in Kalifornien

„Das Outing von Wowereit wäre vor zwanzig Jahren mutig gewesen“„SPD und Grüne haben Eberhard Diepgen durch Wahlbetrug gestürzt“

Interview ROBIN ALEXANDER
und ANDREAS SPANNBAUER

taz: Herr Steffel, Sie wollen Bürgermeister einer Stadt werden, von deren Plätzen Sie flüchten müssen.

Frank Steffel: Ja.

Warum, meinen Sie, schlägt Ihnen so eine Aggressivität wie am Montag auf dem Alexanderplatz entgegen?

Das war der vorläufige Höhepunkt dessen, was wir in den vergangenen Monaten erlebt haben. Zuerst wurde die Union als Ganzes kriminalisiert. Dann wurde ich persönlich zum Kriminellen erklärt und als korrupt beschimpft, obwohl ich mit den Vorgängen in der Bankgesellschaft überhaupt nichts zu tun habe. Jetzt wird mobilisiert. Jungsozialisten rufen „Nazi! Nazi!“ und das Umfeld wirft Eier, wenn ich auftrete. Am Montag zeigte sich dann: Es gibt auch Menschen, die mit so einem unmöglichen Wahlkampf nicht umgehen können. Da flogen schwere Batterien, Flaschen und Büchsen auf unsere Köpfe! Muss ich denn erst im Koma liegen, damit die SPD merkt, welche Geister sie hier gerufen hat? Es handelt sich allerdings um einen ganz kleinen Kreis.

Ist es ein Zufall, dass sich dieser Vorfall im Zentrum von Ostberlin ereignete?

Die Menschen im Ostteil sind sicherlich nicht gewaltbereiter als im Westteil. Aber es scheint eine große Bereitschaft des PDS-Umfelds zu geben, sich sehr aggressiv einzubringen. Der Flügel um Angela Marquardt soll in der Lage sein, ein erhebliches gewaltbereites Potenzial zu mobilisieren.

Auf dem Alexanderplatz handelte es sich wohl eher um Bunthaarige, die gern ein Bier mehr trinken.

Die Polizei hätte eher eingreifen müssen. Polizei und Justiz sollten prinzipiell aber nur die letzte Lösung sein. Diese jungen Menschen werden ja in Elternhaus und Schule geprägt: Hier muss Gewaltfreiheit und Respekt vor Andersdenkenden vermittelt werden. Ich halte nichts davon, wenn man einen Sechzehnjährigen zuallererst mit Polizeigewalt zur Ordnung ruft.

Das klingt jetzt aber sehr verständnisvoll ...

Es gibt natürlich eine Grenze. Aber mit den Flaschen- und Batteriewerfern würde ich gerne einmal unter vernünftigen Bedingungen diskutieren. Was haben die eigentlich gegen mich?

Haben Sie nicht selbst das politische Klima in Berlin mit scharfer Polemik angeheizt?

Harte Sachauseinandersetzungen müssen in einer Demokratie schon erlaubt sein. Grenzen gibt es bei persönlichen Angriffen.

Sie schimpften Wowereit einen „deformierten Charakter“.

Wowereit hat mich persönlich getäuscht. Kurz vor dem Koalitionsbruch versprach er mir wörtlich: „Die Koalition hält bis 2004. Wir spielen den Journalisten nur bis nachts um drei etwas vor, damit alles dramatisch aussieht.“ Dabei hatte Wowereit zu diesem Zeitpunkt schon die Werbung für seinen Wahlkampf gebucht! So eine Unaufrichtigkeit halte ich in der Tat für charakterlich bedenklich.

Den Bruch der großen Koalition nannten Sie einen „linken Putsch“.

SPD und Grüne haben im Wahlkampf versprochen, nicht mit der PDS zusammenzuarbeiten. Eberhard Diepgen wurde also durch Wahlbetrug gestürzt. Das hat mit parlamentarischer Demokratie, wie sie die Bundesrepublik bisher kannte, nichts zu tun.

Warum bemühen Sie für die aktuelle politische Auseinandersetzung Bilder aus dem Kalten Krieg: 17. Juni, Mauerbau, kommunistische Unterwanderung?

Ich muss auch zuspitzen, und manche Analogie wird auch durch Jahrestage nahe gelegt. Aber ich glaube sehr wohl: Die Zukunft Berlins steht in den kommenden Wochen und Monaten auf dem Spiel! Ich kämpfe gegen eine sozialistisch-marxistische Gesellschaft, wie sie die PDS errichten will. Nicht aus ideologischen Gründen – ich bin kein Ideologe –, sondern weil es mir um die Zukunftschancen meiner Generation geht.

Sie sprechen sehr oft von Ihrer Generation. Wer ist das?

Wir sind die erste Generation, die nicht mehr von der deutschen Teilung geprägt wird. Wir haben unsere wesentliche Prägung nach 1989 erhalten. Wir werden manchmal als Spaßgesellschaft verspottet, aber das stimmt nicht: Wir sind leistungsorientiert, unglaublich weltoffen und liberal.

So schlicht wollen Sie alle unter 35 vereinnahmen?

Ich möchte auch niemanden Älteren ausgrenzen. Wir Jungen müssen vielleicht sogar aufpassen, dass unsere Generation nicht zu kalt wird. Aktienkurse dürfen uns nicht wichtiger sein als Herz und Emotion.

Sie betonen ebenfalls häufig, dass Sie ein Unternehmen besitzen. Ist das schon eine politische Qualifikation?

Nein, aber frisches Blut und Erfahrung von außerhalb tut der Politik gut.

Sie sind doch seit zwanzig Jahren politisch aktiv!

Bis vor sechs Wochen habe ich Politik nur als Hobby betrieben. Zugegebenermaßen mit einem relativ hohem Zeitaufwand, gerade in den Abendstunden. Aber ich habe mich nie als Politiker verstanden.

Die Geschäfte des Unternehmers Steffel werden jetzt eingehend durchleuchtet ...

Ich habe nie Politik und mein Unternehmen verbunden. Im Gegenteil: Obwohl ich bei Bodenbelägen für CDU-Parteitage der billigste Anbieter wäre, liefere ich bewusst nicht, um mir die Diskussion zu ersparen. Ich beschäftige nur auf Steuerkarte und behandle meine Mitarbeiter gut. Die Journalisten recherchieren trotzdem – sollen sie. Fehler kann man im Leben nie ausschließen.

In Ihrer Wahlkampagne spielt Ihre Ehefrau Katja eine exponierte Rolle. Ist es in Berlin jetzt schon ein Verdienst, verheiratet zu sein?

Auf jeden Fall ist es keine Schande. Frauen von Spitzenpolitikern haben doch immer schon ihre Männer unterstützt. Durch das Outing von Herrn Wowereit gerät so etwas jetzt immer in einen Gegensatz, der eigentlich keiner ist. Auch in meinem persönlichen Umfeld gibt es viele Homosexuelle. Ich war früher in der Reisebranche tätig, da gehört man als Heterosexueller wirklich zur Minderheit. Ich war sehr viel in Kalifornien. Im Übrigen: Das Outing von Herrn Wowereit wäre vielleicht vor zwanzig Jahren mutig gewesen. Heute scheint es eher schick zu sein.

Ihre Nominierung war extrem amerikanisch inszeniert.

Das war ein normaler Landesparteitag. Ich habe mich bemüht, ganz konkret Inhalte vorzutragen. Aber nach der schwierigen Zeit, die wir als Berliner CDU hatten, sollte dieser Parteitag unseren Mitgliedern und Sympathisanten auch ein Stückchen Zuversicht vermitteln. Da darf es doch auch ein bisschen unterhaltend zugehen. Früher hat die Berliner CDU die Schöneberger Sängerknaben die „Berliner Luft“ singen lassen. Jetzt spielen wir eben Jennifer Lopez. Das Ganze muss ja auch zu dem Kandidaten passen, der sich präsentiert.

Welche Inhalte passen denn zum neuen Klang der Berliner CDU?

Die können Sie an Zukunftsthemen festmachen. Ich habe acht ganz konkrete Ziele genannt. Es geht darum: Wo wollen Menschen gerne leben? Wohin wollen Schüler, Studenten, Existenzgründer? Das ist die entscheidende Frage für Berlin. Ich erinnere mich noch gut, wie es früher in Westberlin war: Da wollte vor 1989 keine Führungskraft hin! Jetzt muss Berlin zwischen Paris und Moskau die große Metropole werden. So eine Stadt lebt von permanenter Kreativitäts- und Blutszufuhr von außen.

Sie fordern doch nicht ernstlich mehr Zuwanderung?

In diesem Bereich hat sich doch schon eine Menge in den vergangenen Jahren getan. Heute sind es doch immer weniger Asylbewerber, die nach Deutschland kommen, zu 85 Prozent nicht anerkannt werden und das Land bald wieder verlassen müssen. Dafür kommen gerade nach Berlin immer mehr Ausländer, die einen wichtigen Beitrag zur Kultur und Leistungsstärke darstellen.

Die neue CDU wird Ihnen keiner abnehmen, bevor Sie sich nicht von Ihren Mentoren Klaus Landowsky und Eberhard Diepgen lossagen.

Ich kenne die genaue Übersetzung des Begriffes Mentor nicht, auch wenn ich ihn inhaltlich verstehe.

Erfahrener Ratgeber. Förderer.

Dann halte ich den Begriff für falsch. Wir haben in der Union einen einzigartig harmonischen Generationswechsel gemacht, der ohne personelle Revolution auskam. Das halte ich für vorbildlich.

Lassen Sie uns über Geld sprechen. Berlin hat zu wenig.

Wir können Politik nicht nur so definieren, dass wir sagen: Wir müssen sparen. Politik hat auch einen Gestaltungsauftrag! Irgendwann kann man sich nämlich auch kaputtsparen. Es ist wie in einem Unternehmen: Du kannst die Kosten gar nicht weit genug runterfahren, wenn du es nicht gleichzeitig schaffst, den Umsatz zu erhöhen. Die zentrale Aufgabe Berlins muss es jetzt sein, unsere Wirtschaftskraft zu erhöhen.

Klingt ein bisschen nach Oskar Lafontaine.

In der Analyse lag Lafontaine oft gar nicht so falsch. Es kommt aber auf die Vorschläge an, die man aus dieser Analyse ableitet. Berlin jedenfalls braucht nicht nur Sparvorschläge, sondern auch eine Vision.

Die linken Parteien sind fürs Sparen zuständig und die Union für die Luftschlösser?

Die großen Einsparvorschläge habe ich etwa vom Übergangssenat noch nicht gehört. Die CDU dagegen hält am Konsolidierungskurs und an der Sparsamkeit der öffentlichen Hand fest. Wir wollen aber auch nicht die Zukunftschancen der Stadt kaputtmachen, indem wir etwa Universitäten oder wichtige Kultureinrichtungen schließen. Eine weitere Rückführung der Ausgaben ist nur noch durch Deregulierung und Privatisierung möglich: weniger Staat und mehr private Initiativen.

Konkret bitte.

Beispiele gibt es viele: Friedhofsgärtnereien, Reparaturwerkstätten in den Bezirksämtern, Kioske in Krankenhäusern. Kann man alles privatisieren.

Reden wir zum Schluss über den politischen Gegner ...

Gern.

Nr. 1: Klaus Wowereit ...

Sein rot-rotes Bündnis werden wir mit einer bürgerlich-liberalen Mehrheit schlagen!

Rot-Rot können Sie doch nur verhindern, wenn Sie wieder mit der SPD zusammengehen.

Nein. Die SPD spricht ja zurzeit nicht einmal mehr mit uns.

Nr. 2: Die Grünen ...

Ich bedauere, dass es in Berlin immer noch keine echte Kommunikation zwischen den Grünen und der Union gibt. Das liegt an den verkrusteten Strukturen dieser Alternativen Liste.

Suchen Sie so verzweifelt einen neuen Koalitionspartner, dass Sie schon von den Grünen träumen?

Im rot-roten Block werden die Grünen ab dem Wahltag jedenfalls nicht mehr gebraucht. Mit der Entscheidung für die PDS haben sie ihr eigenes Grab geschaufelt: In wenigen Jahren werden Sie von der politischen Landkarte völlig verschwunden sein !

Nr. 3: Gregor Gysi ...

... ist ein Scharlatan und steht nicht für die PDS. Er selbst hat ja sehr deutlich gesagt, was von Frau Wagenknecht und großen Teilen seiner Partei zu halten ist. Marxistisch-sozialistische Experimente jeder Art sind schlecht für Berlin!

Gysi wird SPD und Grünen Stimmen wegnehmen. Als er seine Kandidatur bekannt gab, haben Sie doch vor Freude eine Flasche Sekt entkorkt.

Gysis Pressekonferenz habe ich mit Wolfgang Schäuble angeschaut. Danach haben wir uns unterhalten, was wir tun.