„Es liegt an den Regierungen“

Im Zeitalter der Liberalisierung tun sich Regierungen schwer mit der nachhaltigen Entwicklung, vor allem im Tourismus, meint Eugenio Yunis von der WTO. Ein Gespräch über Ökologie, NGOs und Einflussnahme im Internationalen Jahr des Ökotourismus

Interview CHRISTEL BRURGHOFF
und EDITH KRESTA

taz: Gehört es zu den Aufgaben der WTO, den Tourismus zu fördern?

Eugenio Yunis: Wir fördern die Entwicklung des Tourismus, aber wir sind keine Promotion- Agentur. Uns geht es um nachhaltigen Tourismus.

Wo sehen Sie den Unterschied zum Massentourismus?

Nachhaltigkeit ist keine Frage von Massentourismus, sie hat mit der Art und Weise der Tourismusentwicklung zu tun. Auch wenn es beispielsweise um Strandtourismus geht, muss man wissen, dass man auch in der Hochsaison nur eine bestimmte Zahl Menschen an die Strände lassen kann, denn Strände werden verschmutzt, Wasser wird verunreinigt, Parkmöglichkeiten sind begrenzt – auch die soziale Kapazität einer Destination ist begrenzt. Es darf nicht nur um das schnelle Geschäft gehen.

Sie sind also eine Art Qualifizierunginstitution?

Wir fördern in gewisser Weise die Bewusstseinsbildung.

Warum brauchen wir Ökotourismus?

Aus denselben Gründen, aus denen wir Tourismus brauchen. Reisen ist nötig für die Menschen, um zu entspannen, um aus schmutzigen Städten herauszukommen, um Lernbedürfnisse zu befriedigen wie das Kennenlernen anderer Kulturen und die Naturerfahrung. Hier sind wir beim Ökotourismus.

Aber was ist Ökotourismus?

Er ist eine Bezeichnung, die in den späten 80ern aufkam. Ökotourismus bezieht sich auf Tourismus in naturbelassenen, relativ unzerstörten Gebieten. Zweitens kennzeichnet den Ökotourismus, dass Menschen die Natur genießen und kennen lernen wollen und dass er, wenn die Leute Interesse am Lernen haben, drittens geführter Tourismus mit Informationsvermittlung durch einen Führer ist . . .

Also nicht etwa Fischen und Jagen . . .

Das nicht . . .

. . . oder Expeditionen in geschützte Gebiete.

Doch, aber begleitet in der Weise, dass die Touristen auch informiert werden. Und noch ein Merkmal des Ökotourismus: Er trägt zur Erhaltung geschützter Gebiete bei. Entweder indem er Geld zu Erhaltungszwecken dortlässt oder indem er größere Aufmerksamkeit für die Naturerhaltung schafft. Und schließlich ist es auch ein Tourismus, der die einheimische Bevölkerung mit einbezieht.

Ist es generell Ihr Ziel, die einheimische Bevölkerung partizipieren zu lassen?

Dies ist ein Ziel der Nachhaltigkeit, und beim Ökotourismus kommt dieser Aspekt stärker zur Geltung.

Ist Ökotourismus eine Art pädagogisches Konzept?

Ja, so sehen wir es.

Etliche NGOs wie das TIM-Team in Thailand oder auch der AK Tourismus und Entwicklung in der Schweiz klagen, dass der so genannte Multi Stakeholder Dialogue, den Sie mit dem Jahr des Ökotourismus praktizieren wollten, nicht funktioniert. Mit Petitionen an die WTO und die UN wollen sie erreichen, dass aus dem Internationalen Jahr des Ökotourismus ein Jahr des Überdenkens des Ökotourismus gemacht wird.

Es war eine Entscheidung der UN von 1998, ein Jahr des Ökotourismus auszurufen. Wir haben dies akzeptiert, weil wir glauben, dass es eine gute Gelegenheit ist, um Konzepte zu klären und Nachhaltigkeit zu propagieren. Ein paar Organisationen haben sich beschwert über dieses Jahr des Ökotourismus. Wir haben einige diese Organisationen zu einem Meeting im Februar eingeladen, um ihre Ansichten über die Diskussionspunkte der Regionalkonferenzen und beim Gipfel nächstes Jahr in Quebec zu hören. Es kamen Organisationen aus den nördlichen Ländern, etwa „Ökologischer Tourismus in Europa“. Einige andere fragten nach, ob man ihnen die Reise finanzieren könne. Das konnten wir nicht.

Warum?

Wir haben keinen Pfennig von der UN erhalten, um dieses Jahr zu organisieren, und wir finanzieren nicht einmal die Teilnahme unserer eigenen Mitglieder.

Die NGOs befürchten mehr Tourismus in geschützten Gebieten – entgegen den internationalen Richtlinien und Schutzbestimmungen zur Biodiversität. Man befürchtet auch, dass nicht die einheimische Bevölkerung, sondern die Tourismusindustrie vom Jahr des Ökotourismus profitiert.

Es gibt viele NGOs, die unsere Arbeit schätzen. Auf die Debatte einiger NGOs im Internet haben wir nicht reagiert, es ist nicht unsere Ebene. Sie haben nicht einen einzigen positiven Kommentar zum Jahr des Ökotourismus abgegeben. Wir vertreten ja genau ihre Ziele: Partizipation der einheimischen Bevölkerung, Umweltschutz, Umwelterziehung und Konsumentenaufklärung.

Worum wird es bei der Hauptkonferenz in Quebec im nächsten Jahr gehen?

Wir werden uns die Ergebnisse der Regionalkonferenzen anhören, und jede Region wird ihre spezifischen Probleme und Lösungen präsentieren

Was erwarten Sie als Ergebnis?

Wir wollen einen Bewusstwerdungsprozess in Gang setzen, auf Regierungsebene und bis hinunter zu den lokalen Behörden. Und bei den Unternehmen. Das Gipfeltreffen in Quebec soll eine offene Debatte führen und Empfehlungen aussprechen.

Die Mittel und Befugnis, um irgendetwas voranzubringen, haben Sie nicht?

Wir tauschen uns aus und wir helfen den Regierungen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wir können dicke Expertisen schreiben, aber es liegt an den Regierungen, die Empfehlungen umzusetzen. Wir können nicht den Regierungen und den Tourismusunternehmen vorschreiben, was sie tun sollen.

Hat sich im Tourismus in den letzten Jahren etwas nach vorn entwickelt?

Trotz des Fortschritts, den wir seit Rio 1992 gemacht haben, habe ich den Eindruck, dass der Weg, der noch vor uns liegt, wesentlich länger ist als als damals. Aus zwei Gründen: Der beständig wachsende Tourismus weltweit ist nicht zu stoppen, nicht weil Regierungen das so entscheiden, sondern weil die Menschen reisen werden. Zum anderen haben wir den wirtschaftlichen Liberalismus der Regierungen. Viele Regierungen propagieren Tourismus, weil er schnellen Nutzen verspricht, sie wollen Nachhaltigkeit, aber sie vergessen die wesentlichen Aspekte von Nachhaltigkeit: Umwelt- und Sozialverträglichkeit.