DIE IRA WIRD IHRE WAFFEN ABGEBEN – WENN SIE ES FÜR RICHTIG HÄLT: Nordirische Symbole
Alle Jahre wieder. Seit 1998 belagert der protestantische Oranierorden am ersten Sonntag im Juli ein katholisches Viertel im nordirischen Portadown. Und die unabhängige Regierungskommission hält den Marsch durch die Garvaghy Road, wie alle Jahre, für eine Provokation und hat ihn deshalb verboten. Die Oranier tun so, als würden sie die Welt nicht mehr verstehen: Ein zehnminütiger Gang durch die Straße würde niemandem wehtun, argumentieren sie. Das ist Heuchelei. Es ist eben kein Spaziergang, sondern eine Machtdemonstration. Die Oranier, die wie keine andere Organisation die historische Vormachtstellung der Protestanten in Nordirland symbolisieren, wollen untermauern, dass ihnen das Land nach wie vor gehört. In Zeiten, in denen sie im Zuge des Friedensprozesses gezwungen sind, Kompromisse einzugehen und die Katholiken an der Macht zu beteiligen, klammern sie sich an Symbole. Dass sie sich weigern, mit den Anwohnern der Garvaghy Road zu reden, zeigt, dass Katholiken für sie Bürger zweiter Klasse sind.
Zufällig ist Portadown der Wahlkreis des Unionistenchefs David Trimble. Seine Karriere begann mit der Parade in Portadown, bei der er sich als Hardliner profilierte. Es ist bezeichnend für die Situation in Nordirland, dass Trimble beim Oranierorden, dem er wie alle führenden protestantischen Politiker angehört, als zu kompromissbereit gilt. Sein Rücktritt als Premierminister vor acht Tagen war ein Versuch, bei den extremen Teilen des protestantischen Lagers verlorenen Boden gutzumachen. Seine Begründung jedoch, dass die Irisch-Republikanische Armee (IRA) nicht mit der Abrüstung begonnen habe, ist fadenscheinig. Im Belfaster Abkommen vom Karfreitag 1998 steht mit keinem Wort, dass die IRA zur Abgabe ihrer Waffen verpflichtet ist. Das Abkommen wurde damals bewusst schwammig formuliert, damit beide Seiten einen Sieg für sich reklamieren konnten. Für die Regierungen in London und Dublin war es seitdem ein Balanceakt, immer dann der einen Seite ein Zugeständnis zu machen, wenn deren führende Politiker in Bedrängnis gerieten. Das konnte nicht unbegrenzt gut gehen.
Die IRA wird dennoch abrüsten. Ihr politischer Flügel Sinn Féin ist in den vergangenen fünf Jahren zu einer normalen Partei der Mitte geworden und ist bei Wahlen mit dieser Politik so erfolgreich, dass sie das Erreichte nicht durch Waffen, die sie ohnehin nicht mehr braucht, gefährden wird. Allerdings will sie den Zeitpunkt selbst bestimmen: Kurz vor den Wahlen in der Republik Irland, die vermutlich im Herbst stattfinden, wird die IRA mit der Abrüstung beginnen. Das dürfte Sinn Féin eine ganze Reihe von Sitzen einbringen.
RALF SOTSCHECK
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen