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Erste Hilfe für dealende Opfer

Neue Wohngruppe für jugendliche Flüchtlinge, die zum Dealen gezwungen wurden, weil sie nicht legal arbeiten dürfen  ■ Von Heike Dierbach

„Es ist unter anderem die fehlende Kontrolle durch den Familien- und Dorfverband, der jugendliche Flüchtlinge straucheln lässt“, sagt Herbert Wiedermann, Leiter der Abteilung „Hilfen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien“ beim Amt für Jugend. Eine Ersatzkontrolle schafft Hamburg nun in den Vier- und Marschlanden: Am Hofschläger Weg wird die erste intensiv betreute Wohngruppe für Flüchtlinge unter 16 Jahren eröffnet, die beim Dealen erwischt wurden. Ihre Unterbringung dort ist Teil des Handlungskonzeptes St. Georg, das Innensenator Olaf Scholz (SPD) vergangenen Donnerstag vorgestellt hat.

Völlig neu jedoch ist die Einrichtung mit einer 1:1-Betreuung nicht: Sie und eine weitere Wohngruppe im Bezirk Nord wurden bereits 1999 auf Druck der Öffentlichkeit eingerichtet, nachdem zwei Jugendliche den Tonndorfer Lebensmittelhändler Willi Dabelstein ermordet hatten. Da beide Wohnungen aber nicht voll ausgelastet sind – die Belegung schwankt zwischen 30 und 80 Prozent – ist Platz für die Flüchtlinge. Zwar wohnen derzeit am Hofschläger Weg noch zwei Deutsche, weil die Beziehung zu den Betreuern nicht abgebrochen werden soll, langfristig soll der Standort aber eine reine Flüchtlingsgruppe mit zehn Plätzen beherbergen. „Denn es erscheint nicht sinnvoll, jugendliche Dealer mit Gewalttätern zusammen unterzubringen“, sagt Wiedermann.

Etwa 80 Prozent des Straßen-deales in Hamburg, weiß er, erfolge durch Schwarzafrikaner unter 18 Jahren, alle männlich. Umgekehrt machen diese Jugendlichen aber nur etwa fünf Prozent der etwa 1800 minderjährigen Flüchtlinge in Hamburg aus. Die Gründe, warum einer zum Dealer wird, sind sehr differenziert, betont Wiedermann. Ein Teil der Jungen werde gezielt von Schleppern zum Dealen nach Deutschland geschleust – zum Teil ohne dass die Betroffenen ahnen, welche Arbeit sie erwartet: „Die wissen gar nicht, was Crack ist.“ Hier werden sie dann, ähnlich wie Prostituierte, finanziell und auch mit Schlägen zum Dealen gepresst. Ein anderer Teil, vor allem die 16- bis 18-Jährigen, kommt als „normale“ Flüchtlinge und wird auf den überfüllten Wohnschiffen in Neumühlen angeworben – ebenfalls zum Teil mit Gewalt. „Dass ein Jugendlicher darüber spricht, zum Beispiel mit einem Betreuer, ist ganz selten“, weiß Wiedermann.

Einer der Hauptgründe aber ist, dass die Familien der Jugendlichen zu Hause erwarten, dass diese Geld schicken – nicht ahnend, dass ihr Sohn in Deutschland nicht arbeiten darf. „Viele jugendliche Dealer meinen, dass sie ethisch hochwertig handeln“, sagt Wiedermann, „weil sie ja ihren ganzen Verdienst ihrer Familie geben.“ Man müsse ihnen deshalb parallel zur Strafverfolgung die Möglichkeit eröffnen, legal etwas zu verdienen, „dann würden sie das auch tun“.

Vor allem aber sollen die Jungen in der Wohngruppe dazu gebracht werden, zur Schule zu gehen oder „sinnvolle Dinge zu erlernen, die sie, wenn sie doch einmal zurücckehren, in ihren Heimatländern gebrauchen können“, sagt Wiedermann. Zum Konzept gehören dabei anfangs auch Ausgangssperren. Das Jugendamt versucht derzeit, für die Wohngruppe PädagogInnen zu engagieren, die selbst aus Schwarzafrika kommen. In die Wohngruppe werden die Jugendlichen von einem Richter oder den Jugendämtern eingewiesen.

Bis gestern waren allerdings noch alle Plätze leer.

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