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DIE SOMMERBILANZ ZEIGT, WIE VIEL SCHRÖDER VON KOHL GELERNT HATDie ruhige Hand des großen Steuermanns

Eines muss man der Kreativabteilung der SPD lassen: Sie versteht ihr Geschäft. „Sicherheit im Wandel“ prangt seit einigen Monaten an der Wand im Pressesaal des Willy-Brandt-Hauses, als würde draußen ein Sturm heraufziehen. Nun hat man, kurz vor der Sommerpause, dem Großen Steuermann ein neues Stichwort mit auf die Reise gegeben: „Politik der ruhigen Hand“. Da steht er also, Gerhard Schröder, hält das Ruder fest umschlossen. Dass hier und dort auch noch mal Wasser hereinbricht, das Schiff an manchen Tagen Schlagseite bekommt, das mag ihn bei Antritt der Reise vor mehr als zweieinhalb Jahren zu mancher hektischen Kurskorrektur gezwungen haben. Jetzt gilt: weiterfahren. Und Hoffnung verbreiten. Wenn der Kahn auch manchmal tiefer liegt, er kommt doch wieder hoch. Irgendwann, mit Hilfe der Mannschaft oder durch einen Wetterumschwung.

Auf Prognosen, das hat dieser Kapitän gelernt, ist ohnehin schwerlich Verlass. Der Schröder, der gestern auf der Pressekonferenz vor der Sommerpause sprach, ist mit dem Selbstbewusstsein desjenigen ausgestattet, den nichts mehr stören kann. Zumindest spielt er diese Rolle so gut, dass man ihm die ruhige Hand abzunehmen glaubt: Was haben wir nicht alles an Land gebracht: Steuerreform, Homo-Ehe, Zwangsarbeiterentschädigung, Osthilfe! Selbst am Zuwanderungspaket bastelt Otto Schily schon im Schiffsraum! Und die anderen erst! Die Opposition, irgendwie bedauernswert, hat sich noch nicht einmal darauf geeinigt, wer das Offizierspatent erwerben soll! Von den Spezialisten gar nicht zu reden! Haben die Auguren nicht vor einigen Monaten Wachstumsraten versprochen, die nun vom Winde verweht sind? Und was war im Winter mit den Benzinpreisen? Hat da die Kommandobrücke nicht reagiert, und als es so weit war, war alle Aufregung schon wieder wie weggeblasen?

Schröder ist der Gelassene, der eines gelernt hat: ein Kapitän, der selbst die Unruhe in Person ist, verbreitet Unruhe. Damit soll es nun vorbei sein – vorerst. Nur: Wer in den nächsten Monaten Kurs halten will, muss aufpassen, dass er die knirschenden Geräusche inner- und außerhalb des Schiffes nicht überhört. Wer selbstherrlich wird, der läuft Gefahr, irgendwann auf Sand zu laufen. Vielleicht hat Schröder im Logbuch seines Vorgängers nachgeschlagen. Drei Dinge sind ihm da wohl aufgefallen: 1. Helmut Kohl hat sie auch beherrscht, die Politik der ruhigen Hand. 2. Manche warfen ihm vor, die Dinge oben auf der Brücke ausgesessen zu haben. 3. Immerhin, eine lange, ja sehr lange Strecke ist er damit gut gefahren. SEVERIN WEILAND

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