: Hier knickt die Gemeinde eine Sporthalle
Nach zwei Einstürzen soll die Halstenbeker Sporthalle, bekannt als Knick-Ei, nach dem Willen von SPD, CDU und FDP jetzt ein drittes Mal aufgebaut werden. Die Grünen wollen dagegen klagen, Bürger lieber Champignons züchten ■ Von Peter Ahrens
„Die zahlreichen Vereine und Verbände tragen mit ihren attraktiven Freizeitangeboten erheblich dazu bei, dass sich Halstenbeks Einwohner in ihrer Gemeinde wohl fühlen. Und auch die sportbegeis-terten Bürger finden bei den örtlichen Sportvereinen ein breites Angebot.“ (Eigen-Präsentation der Gemeinde Halstenbek im Internet)
Es ist die vielleicht bekannteste Sporthalle Schleswig-Holsteins. Obwohl hier noch kein einziger Handball geworfen, keine einzige Rolle rückwärts vollzogen wurde. Kein Bock wurde hier bislang übersprungen, höchstens geschossen. Diese Halle hat Halstenbek in den Adelsstand bundesweiter Aufmerksamkeit erhoben, beziehungsweise zur „Lachnummer der Nation“ werden lassen, wie sich ein aufgeregter Leserbriefschreiber in der Pinneberger Zeitung mal echauffiert hat. Es ist die unendliche Geschichte um das so genannte Knick-Ei, die zweimal eingestürzte Hallenkonstruktion an der Halstenbeker Feldstraße, die die Kommunalpolitik und die Medien seit nunmehr knapp zehn Jahren beschäftigt. „Und ein Ende des Dramas ist nicht abzusehen“, sagt Ines Strehlau, Chefin der Halstenbeker Grünen.
Vor gut zehn Jahren hatte die Gemeinde eine tolle Idee: Man wollte einmal richtig Aufsehen erregen, nicht nur die kleine 15.000-Einwohner-Schlafgemeinde am Hamburger Stadtrand sein, die sich nur als „Wiege des Waldes“ verkaufen konnte, man wollte auch etwas darstellen. Daher waren die KommunalpolitikerInnen auch gleich Feuer und Flamme bei den Plänen, die der renommierte Hamburger Architekt André Poitiers vorstellte: Pläne für eine neue Sporthalle. Aber nicht irgendeine konventionelle Dreifachturnhalle, nein, es sollte eine sein, wie sie selbst die HamburgerInnen noch nicht gesehen haben. Eine Halle, die von weitem wie ein großer Maulwurfshügel aussieht, mit einem futuristischen ovalen Glasdach, das oben aus dem Hügel hervorlugt: Das Sport-Ei, fünf Millionen Mark sollte es ursprünglich kosten, und alle Parteien in der Gemeinde, auch die Grünen, waren am Anfang dafür.
Zehn Jahre später ist aus dem Sport-Ei das Knick-Ei geworden, die Grünen sind längst zu vehementen GegnerInnen des Hallenbaus bekehrt, aus den fünf Millionen sind inzwischen mindestens 15 Millionen Mark geworden. Die beiden Einstürze des Hallendaches, im Februar 1997 – damals noch ohne Glasaufbau – und im Sommer 1998, haben das Unternehmen Sporthalle zum Desaster werden lassen. Ein Desaster, aus dem die Mehrheit in der Gemeindevertretung von CDU, SPD und FDP jedoch nur einen Schluss gezogen hat: Ein dritter Versuch muss her. Die Grünen versuchen, dies per Bürgerbegehren zu verhindern, doch wahrscheinlich ohne großen Erfolg. Der Landkreis Pinneberg hat das Begehren für nicht zulässig erklärt und auch einen Widerspruch abgelehnt. Jetzt klagen die Grünen vor dem Verwaltungsgericht gegen den Wiederaufbau.
Bürgermeister, SPD, CDU und FDP sind der Ansicht, dass nur ein neuerlicher Anlauf dafür sorgt, dass die bisher investierten 15 Millionen Mark nicht völlig in den Sand gesetzt sind. Um diesen Standpunkt zu untermauern und gar nicht erst über Alternativen diskutieren zu müssen, hat die CDU bei der Verwaltung schon mal ein Flugblatt in Auftrag gegeben, das über Gemeindekosten an die Hals-tenbeker Haushalte verteilt werden soll und in dem es kategorisch heißt: „Zum Weiterbau der Sporthalle an der Feldstraße gibt es keine Alternative.“
Strehlau und ihre ParteifreundInnen haben jedoch eine: Die Halle einfach abreißen und an einem anderen Standort eine neue bauen. „Die Alltagstauglichkeit dieser Halle ist überhaupt nicht gegeben, keiner weiß über die langfristige Festigkeit Bescheid“, sagt Manfred Probstmeyer, der bei den Grünen über die Jahre zum Knick-Ei-Fachmann geworden ist. Bevor die Halle eingestürzt ist, hatte er keine Ahnung von Statik und Baukonstruktionen. Dann hat er sich zusammen mit seinem Sohn, der damals gerade Abitur machte, und einem seiner Schulfreunde in die Materie eingefuchst, heute kann er mit Ausdrü-cken wie Schraubenschlupf oder Verschweißtoleranzen nur so um sich werfen. Probstmeyer hat die Verwaltung immer wieder mit hartnäckigen Nachfragen genervt, hat seitenlange Eingaben-Kataloge vollgeschrieben, in denen er seine Bedenken gegen das Sport-Ei formuliert hat. Er sagt: „Schon bei ruhigem Hinsehen musste man sagen: Das wird einfach zu teuer.“ Außerdem hält er es für gänzlich ungeklärt, ob die Halle danach so sicher wäre, dass ein dritter Einsturz – eventuell, während gerade Kinder dort ihren Turnunterricht abhalten – ausgeschlossen wäre. Aber die anderen Parteien lässt das unbeeindruckt: Sie wollen das Sport-Ei, und sie wollen vermeiden, dass die Halstenbeker BürgerInnen entscheiden.
Die sehen das ganze inzwischen mit Galgenhumor. Es gibt mittlerweile eine eigene Homepage www.knickei.de, in denen Sporthallen-Cartoons veröffentlicht werden und ein CDU-Kommunalpolitiker mit dem schönen Satz zitiert wird: „Ich habe geweint, als ich den Vorgang mitbekommen habe“, in der Buchhandlung Cremer um die Ecke kann man satirische Knick-Ei-Postkarten kaufen, und Vorschläge, wie man den eingekrachten Hallenbau doch noch nutzen kann, sind auf den Leserbriefseiten der Lokalpresse zuhauf gemacht worden: Eine Kartbahn, eine Champignonzucht, ein Schwimmbad.
Das mit dem Schwimmbad ist gar nicht so abwegig: Denn während Gutachten und Gegengutachten über die Schuldfrage und die Entschädigungspflichten erstellt werden, modert die Halle brav vor sich hin. Schimmel an den Wänden, und das Wasser läuft ins nur unzureichend abgedichtete Halleninnere. Und nebenan lässt die Gemeinde in Nibelungentreue immer noch das überdimensionale Schild stehen, das stolz verkündet: Hier baut die Gemeinde Halstenbek eine Sporthalle.
„Wir wollen diese Halle nicht mehr“, sagt die grüne Fraktionschefin Birgit Andersek und ist überzeugt, die Mehrheit der Hals-tenbekerInnen mit dieser Meinung hinter sich zu haben. Die Grünen hätten die Idee, mit dem Abriss der Halle ein ganz neues Gebäudekonzept für den Schul- und Sportunterricht zu verbinden. Denn das ist notwendig, weil auch eine Realschule in der Gemeinde einen neuen Platz sucht. Begründung, warum die Schule nicht mehr am alten Standort bleiben darf: Sie ist auf Torfboden gebaut und daher akut einsturzgefährdet.
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