: Big name – big Uni
■ Mit immer ungewöhnlicheren englischsprachigen Studiengängen werben Unis um immer weniger Studierende
Früher wusste man gleich, was man hatte: Anglistik, Maschinenbau, Kunst. Bei solchen Studiengänge war sofort klar, was einen im Vorlesungssaal erwartete. Aber um was geht es bei „Integrated Coastal Zone Management“ in Oldenburg? Und was wird mal aus den Menschen, die „Horticulture“ in Hannover oder „Kosmetologie“ in Osnabrück studieren?
Statt der immergleichen Fächer sollen nun neue Studiengänge wieder mehr Studenten in die Hochschulen locken und die Profile unter den einzelnen Hochschulen schärfen. Welche Uni Zulauf haben will, bietet was mit Medien oder was Internationales an und prahlt mindestens mit langen englischen Fachwörtern im Internet. Heraus kommen manchmal so bizarre Mischungen wie in Bremerhaven, wo man „European Product Engineering and Management“ – Schwerpunkt „Wolltechnik“ belegen kann. Auch „Horticulture“ steht für nichts anderes als Gartenbau, „Kosmetologie“ für Körperpflege.
Die bunten neuen Studien-Etiketten sind dabei kein schnöder Marketing-Gag, sondern auch ein Rettungsanker. Gut geht es den Unis nämlich schon lange nicht mehr: Zunehmende Geldknappheit, rückläufige Studierendenzahlen, düstere Aussichten. Nach einer Studie des OECD (Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) hat die „Studierwilligkeit“ in Deutschland dramatisch abgenommen. Schrieben sich 1990 noch 82 Prozent der Abiturienten an Hochschulen ein, waren es 1999 nur noch 68 Prozent. Den Geburtenrückgang schon eingerechnet, werden die Studi-Bestände in den nächsten Jahren deutlich schrumpfen.
Nicht allein der Präsident der Uni Oldenburg, Siegfried Grubitzsch, fragt sich inzwischen ob „wir dann noch eine Bestandsgarantie haben oder nicht.“ Besonders die Fachhochschulen machen den Unis Konkurrenz. Da sprudelt es zuweilen nur so vor neuen Studiengängen: die praxisnäher und kürzer sind als an der Uni und auch noch bessere Job-Aussichten bieten. Die Unis müssten nun eine größere Sensibilität für die Nachfrage am Arbeitsmarkt entwickeln, meint Grubitzsch und will „mit neuen Studiengängen neue Entwicklungen aufgreifen“.
Der Aufbaustudiengang „Integrated Coastal Zone Management“ zum Beispiel ist so ein Versuch, einen Fuß in die Praxis zu bekommen. Die Küsten-Manager sollen einmal als Bindeglied zwischen Naturwissenschafltern und Behörden fungieren, mehr Beteiligungsmöglichkeiten im Sinne der EU durchsetzen. Sehr berufsorientiert sei die Ausbildung, meint Leiter Thomas Klenke und ist sicher, „dass die Studenten sofort ein Betätigungfeld finden“. Denn dass Nachfrage besteht, hätten Gespräche mit Wirtschaft und Behörden vorab gezeigt. Die Uni-Leitung hofft, mit diesem „einmaligen Angebot“ auch das Profil der Uni zu schärfen, anstatt weiterhin „in allen Fächern alles anzubieten.“ Da will Grubitzsch tüchtig umschichten, Schwerpunkte da setzen, wo Forschungsprojekte bestehen.
Neue Studiengänge allein reichen offenbar nicht, um die Gunst der Studis zu gewinnen. Die Oldenburger Uni setzt weiterhin auf Werbung und Radio-Spots. Im vergangenen Jahr konnte man in Niedersachsen den größten Zuwachs an Studienanfängern verzeichnen. Ob das nun an den Spots lag, ist nicht klar. Nur: Dass in diesem Jahr stärker einzelne Fächer beworben werden sollen. pipe
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