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„Der Wahlkampf stört uns“

Die Bezirke sehen den Neuwahlen ihrer Bezirksparlamente im Oktober mit gemischten Gefühlen entgegen, weil dadurch die Reformen blockiert oder zurückgeworfen würden. CDU-Bürgermeister machen gegen die Wahl mobil

Die zwölf Berliner Bezirke sehen den Neuwahlen in der Hauptstadt mit gemischten Gefühlen entgegen. Erst Anfang des Jahres haben sich die einst 23 Berliner Bezirke zu zwölf neuen Einheiten zusammengerauft, da sollen sie nun schon wieder ihre Bezirksverordnetenversammlung und Bezirksämter neu wählen. „Das wirft uns in der Bezirksreform um ein Jahr zurück“, ärgert sich Wolfram Friedersdorff, PDS-Bürgermeister in Lichtenberg. Er und andere der frisch gewählten Bürgermeister sind dafür, die Bezirke doch besser in Ruhe zu lassen.

Doch das geht nicht so einfach. Denn die Verfassung sieht vor, dass mit der Wahl zum Abgeordnetenhaus auch die Bezirksämter neu gewählt werden müssen. Ausnahmen gab es aber immer wieder, wie bei der letzten Wahl Ende 1999: Die Bezirksämter amtierten ein Jahr länger und formierten sich für die Bezirksreform erst vor fünfeinhalb Monaten neu. „Die Bemühungen, eine neue Bezirksidentität zu finden, würden durch Wahlkämpfe gestört“, meint der Bezirksbürgermeister von Mitte, Joachim Zeller (CDU).

Die Bezirksbürgermeister von Mitte (CDU), Friedrichshain-Kreuzberg (PDS) und Reinickendorf (CDU) ebenso wie der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, Reinhard Führer (CDU), haben sich dafür ausgesprochen, bei Neuwahlen zum Abgeordnetenhaus die Wahlen zu den Bezirksversammlungen abzukoppeln.

Für eine Abtrennung oder Aussetzung der Bezirkswahlen wäre die Änderung der Landesverfassung erforderlich. Der SPD-Vorsitzende Peter Strieder ist dagegen: „Man kann ja nicht in einer Tour die Verfassung ändern.“ Die CDU habe nur Angst, Sitze zu verlieren.

Das sehen etliche Kommunalpolitiker anders. „Die Stadt ist nach wie vor zweigeteilt“, sagt die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Bärbel Grygier (PDS). „Wir haben eine Dominanz der PDS im Ostteil und eine Dominanz der CDU im Westteil. Das ist vor allem ein Problem für die SPD.“ PDS-Bürgermeister Friedersdorff glaubt, dass sich in den Bezirken wenig ändern wird. „Wenn wir in den Westbezirken ein oder zwei Prozent dazubekommen, sind wir schon gut“, meint auch PDS-Politikerin Grygier.

Auf Beschluss des Abgeordnetenhauses vom März 1998 waren die meisten Bezirke der 3,4-Millionen-Metropole zum Jahreswechsel mit einem oder gar zwei anderen Bezirken zu einer neuen Verwaltungseinheit mit jeweils rund 300.000 Einwohner verschmolzen worden. Von den derzeit rund 46.000 Vollzeitstellen in den Bezirken könnten nach Ansicht der so genannten Scholz-Kommission rund 5.000 Arbeitsplätze gespart werden.

„Für diese Verwaltungsreform sind Neuwahlen ein herber Rückschlag“, ist sich Herbert Weber (CDU) sicher, Bürgermeister von Steglitz-Zehlendorf. „Stillstand wird nicht eintreten, aber ein Kochen auf Sparflamme.“ Auch Bürgermeisterin Grygier ist für ihren sozial angeschlagenen Bezirk skeptisch. Man sei gerade dabei, einen Haushaltsplan aufzustellen. „Der wird sicher nicht besser, unter welcher Konstellation im Abgeordnetenhaus auch immer.“

GERALD MACKENTHUN, DPA

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