: Genügend Verdachtsmomente
Von den Schweizer Akten erhofft sich der Vorsitzende des Spenden-Untersuchungsausschusses, Volker Neumann, Belege für mögliche Schmiergeldzahlungen an die CDU. Schweizer Generalstaatsanwalt Bernard Bertossa kritisiert deutsche Justiz
BERLIN dpa/ap/taz ■ Von den Schweizer Ermittlungsakten zum Leuna-Verkauf erhofft sich der Parteispenden-Untersuchungsausschuss des Bundestages Belege für den Verdacht der Bestechung deutscher Politiker. Der Schweizer Ermittlungsrichter Paul Perraudin habe einen solchen Verdacht in seinem Dossier zu den 60 Aktenordnern ausdrücklich formuliert. „Deshalb sind die Akten sehr wichtig für uns, und ich hoffe, dass wir sie bald bekommen“, so der Ausschussvorsitzende Volker Neumann (SPD) gestern im Deutschlandfunk.
Die Schweizer Justiz hatte die Akten am Freitag an Generalbundesanwalt Kay Nehm übergeben, nachdem sich mehrere deutsche Staatsanwaltschaften für nicht zuständig erklärt hatten. Nehm muss nun entscheiden, ob er der Schweizer Bitte nach Übernahme der Strafverfolgung entsprechen kann. Andernfalls werden die Akten voraussichtlich an eine Landesjustizverwaltung weitergeleitet.
Die Unterlagen enthielten genügend Verdachtsmomente, die Ermittlungen rechtfertigten, sagte der Genfer Generalstaatsanwalt Bernard Bertossa dem Spiegel. Es gebe aber keine Hinweise, dass Schmiergelder an führende Politiker oder deutsche Parteien geflossen sind. Das Geld sei ausschließlich an Personen gegangen, von denen manche zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt in Deutschland politische Verantwortung getragen haben. Ausdrücklich nannte er Exstaatssekretär Holger Pfahls.
Beim Verkauf der Leuna-Raffinerie und des Minol-Tankstellennetzes an Elf-Aquitaine seien 1994 insgesamt 256 Millionen Franc unterschlagen und auf Schweizer Konten überwiesen worden. Das Geld sei nur zum Teil nach Deutschland geflossen.
Bertossa bekräftigte seine Kritik an der deutschen Justiz. „Die Deutschen haben sich einfach tot gestellt.“ Ähnliche Erfahrungen habe er 1996 gemacht. Damals habe er deutschen Behörden gemeldet, dass Siemens bei einem öffentlichen Auftrag in Spanien mit Bestechungsgeldern operierte. Wie im Fall Barschel hätten diese aber nicht reagiert. „Ich kann nicht sagen, ob die deutsche Justiz bestimmte Weisungen im Fall Leuna erhalten hat oder einfach nicht ermitteln will.“ Weil Deutschland und die Schweiz gegenseitig keine Staatsbürger ausliefern, hatte Bertossa das Bundesjustizministerium in Berlin ersucht, die sich aus dem Genfer Verfahren ergebende Strafverfolgung von Deutschen zu übernehmen.
Unterdessen fordern die SPD-Mitglieder im Spenden-Untersuchungsausschuss laut Spiegel eine erneute Prüfung der CDU-Rechenschaftsberichte. Es gebe neue Hinweise, dass die 100.000-Mark-Spende des Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber die CDU nie erreicht habe, heißt es in einem Brief an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse.
Wie geplant kann der Ausschuss den früheren Elf-Manager Alfred Sirven Mitte September vernehmen. Die französische Regierung habe zugestimmt, so der SPD-Obmann im Ausschuss, Frank Hofmann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen