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Computerchaos beim Bundeskriminalamt

Die Datenbank des Bundeskriminalamtes zur automatisierten Personenfahndung gilt als überaltert. Doch der Start des Systems „Inpol-neu“ kommt nicht voran

BERLIN taz ■ Seit dreißig Jahren ist Inpol, das „Informationssystem Polizei“, in Betrieb. Inzwischen gilt die im November 1972 vom Wiesbadener Bundeskriminalamt (BKA) in Betrieb genommene Datenbank zur automatisierten Personenfahndung als hoffnungslos überaltert. „Inpol wird seit geraumer Zeit den ständig steigenden Anforderungen an die Information und Kommunikation der Polizei nicht mehr gerecht“, heißt es in einem internen BKA-Planungsbericht aus dem Jahre 1997. Mit Inpol-neu sollte daher wieder Anschluss ans moderne Computerzeitalter gewonnen werden.

Seit gut 10 Jahren wird in Wiesbaden daran geplant und gewerkelt. In der ersten Funktionsstufe, die am Ostersonntag zu einem halbjährigen Probelauf starten sollte, wollte man die bislang getrennten Fahndungs- und Erkennungsdienstdateien, die Haftdatei, den Kriminalaktennachweis und die neue DNA-Analysedatei bündeln. In der zweiten Ausbaustufe sollte eine Fallbearbeitungsdatei hinzukommen.

Rund 100 Millionen Mark waren für das ehrgeizige Projekt vorgesehen. Die Sicherheitsmanager im Bundesinnenministerium zeigten sich so überzeugt von der Leistungsfähigkeit des neuen bundesweiten Fahndungssystems, dass Bundesminister Otto Schily (SPD) den Länderkollegen im vergangenen Sommer anbot, nach der Installation von Inpol-neu künftig auch die Datensätze ihrer Polizeien durch das BKA führen zu lassen.

Dauerhafte Auftragsdatenverarbeitung – dieser Vorstoß des forschen Ministers war den Datenschützern suspekt. Sie sehen die Gefahr, dass die informationelle Trennung von Landes- und Verbunddaten schrittweise aufgeweicht wird. Deshalb forderten sie Schily auf, die für die Datenverarbeitung beim Bundeskriminalamt geltenden gesetzlichen Grundlagen strikt zu beachten. Allenfalls für eine kurze Übergangszeit könnten sie ein solches Verfahren billigen.

Doch es kam ohnehin alles anders. Planungsfehler, mangelnde Koordination sowie eine offenbar noch nicht weit genug ausgereifte Technik machen derzeit alle hochfliegenden Pläne zunichte. Der Probebetrieb, der Mitte April startete, wurde zum Fiasko. Schon kurz nach dem Start musste der Test abgebrochen werden, weil immer wieder Fehler auftraten. Rund ein Viertel davon wurde intern sogar als schwerwiegend beurteilt.

Der für den kommenden Oktober avisierte Termin für den Vollstart des Datensystems ist nicht mehr zu halten. „Ein Gesamteinführungskonzept, das mit den Ländern abgestimmt wurde, ist nicht erkennbar“, kritisiert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die bisherige Planung.

Ohnehin haben sich die ursprünglich kalkulierten Kosten von etwa 100 Millionen Mark bereits mehr als verdoppelt. Ab Oktober wird es dann richtig teuer. Jeder Monat, in dem Inpol-neu und das alte Inpol-System parallel laufen müssen, geht in die Millionen. Die zusätzlichen Kosten für das BKA und die Bundesländer werden auf jeweils rund eine Million Mark geschätzt. Konrad Freiberg, der Bundesvorsitzende der GdP, fürchtet denn auch, dass Inpol-neu für die Polizei „finanziell zu einem Fass ohne Boden wird“.

Doch seit längerem hatte sich abgezeichnet, dass die Einführung des neuen Datensystems wohl nicht so glatt gehen würde wie geplant. Die Schwierigkeiten waren auch im BKA nicht unbekannt. „Planungsdaten für die Einführung des IT-Systems sind nicht vorhanden. Die Planungsressourcen sind nicht ausreichend“, heißt es in einem internen Bericht vom Februar. Vermutlich werde es zu „mehrmonatigen erheblichen Zusatzbelastungen kommen“.

Bis zum österlichen Computerchaos hatte das BKA für die absehbaren Verzögerungen stets die Polizeien einzelner Bundesländer verantwortlich gemacht. Auch hier müssen fast überall neue Datensysteme eingeführt werden, um auch ohne einen eigens eingerichteten Knotenpunkt mit dem BKA-Computer kommunizieren zu können. Insbesondere Bremen, Hessen, das Saarland und Schleswig-Holstein galten als „langsame Länder“, die mit der Umrüstung ihrer Systeme nicht schnell genug voran kommen.

Inzwischen ist das BKA äußerst wortkarg geworden. Lediglich „einige Fehler“ während des Testlaufes will die Pressesprecherin bestätigen. An deren Behebung werde weiter gearbeitet. Wie weit die einst so gescholtenen Länderpolizeien gekommen sind, wisse das BKA auch nicht so recht. Nur eines weiß man in Wiesbaden genau: Für den nächsten Probelauf, geschweige denn den Vollstart, „ist noch kein neuer Zeitplan festgelegt“.

OTTO DIEDERICHS

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