: Beamte bei Diskriminierungen besonders eifrig
Neue Studie: Migranten fühlen sich vor allem in staatlichen Behörden oft schlecht behandelt. Auch deutscher Pass schützt nicht vor Diskriminierung
KÖLN taz ■ Migranten erleben Diskriminierungen am häufigsten in Behörden. Zu diesem Ergebnis kommt der Abschlussbericht eines Modellprojekts gegen Fremdenfeindlichkeit im Alltag, den der nordrhein-westfälische Sozialminister Harald Schartau (SPD) gestern vorgestellt hat.
Drei Jahre lang hatte NRW neun Antidiskriminierungsstellen modellhaft gefördert und deren Arbeit wissenschaftlich auswerten lassen. 400 gemeldete Diskriminierungsfälle wurden dabei detailliert untersucht. Das Ergebnis: In rund sechzig Prozent der Fälle wurden Behörden wie Ausländer-, Standes- und Sozialämter oder andere Institutionen als Verantwortliche für Diskriminierung genannt.
Besonders häufig fühlten sich Migranten durch beleidigendes Verhalten einzelner Mitarbeiter unangemessen behandelt oder durch einen ablehnenden Verwaltungsakt diskriminiert. So habe sich etwa ein Standesamtsmitarbeiter geweigert, die Bestellung eines Aufgebots entgegenzunehmen. Mancher als diskriminierend empfundene Bescheid, wie die Nichterteilung einer Arbeitserlaubnis, könne allerdings auch durch die Rechtslage begründet sein, so Schartau. Nur 29 Prozent der Migranten gaben Individualpersonen als Diskriminierungsverursacher an. Dabei beklagten sich die Ratsuchenden vor allem über Beleidigungen, aber auch über Belästigungen, Drohungen und Anwendung körperlicher Gewalt.
Die größte Gruppe der Beschwerdeführer waren türkische Staatsbürger. Dicht darauf folgten Migranten mit deutscher Staatsangehörigkeit. „Der ‚richtige‘ Pass schützt also Zuwanderer keinesfalls vor Diskriminierung“, konstatierte Schartau.
Als Grund der Diskriminierung wurden in den meisten Fällen die Herkunft genannt (68,4 Prozent), gefolgt von den Kategorien Staatsangehörigkeit (32,1), Hautfarbe (21,4), Sozialstatus (15,3), Sprache (13) und Geschlecht (4,7 Prozent).
Der Bericht zeige, so Schartau, „dass sich Migranten noch immer mit vielfältigsten Formen von Diskriminierungen auseinander setzen müssen, auch dort, wo sie eigentlich Rat und Hilfe finden müssten“. Die Behörden müssten deshalb Migranten gegenüber „mehr Sensibilität“ aufbringen, „auch wenn es darum geht, ihnen klar zu machen, dass bestimmte Entscheidungen nichts mit ihrer Herkunft oder ihrer Hautfarbe zu tun haben“.
PASCAL BEUCKER
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