piwik no script img

Genua beginnt mitten in Bremen

Zweihundert BremerInnen sind am Samstag durch Bremen gezogen, um gegen die Behandlung der Demonstranten in Genua zu protestieren – und der lokalen Monopolzeitung ist das nicht einmal eine Notiz wert.

Diese Ignoranz spiegelt die der politischen Parteien wider. Die Gewerkschaften, die die deutschen Büros von ATTAC finanziell fördern, waren politisch desinteressiert. Die Grünen, die die Arbeit von ATTAC nicht fördern, waren auch nicht beteiligt, vielleicht in Urlaub einfach, vielleicht aber auch desinteressiert aufgrund des Gefühls, eigentlich mit dem deutschen Außenminister auf der anderen Seite zu sitzen.

Die Reaktion von Joschka Fischer auf die Forderung auch aus seiner Partei, eine internationale Kommission müsse die Polizeiübergriffe untersuchen, war nämlich sehr sparsam gewesen: Pflichtgemäß verwies er darauf, es gebe „Berichte“, die untersucht werden müssten. Keine Spur von Entsetzen über die Berichte und die Bilder. In der Tat: Es muss geklärt werden, wie das genannt werden muss, wenn ein schwer bewaffneter Polizeibeamter auf einen wehrlosen Demonstranten, der zum Zeichen der Ergebung die Hände hoch hält, einschlägt: Ist das Verhältnismäßigkeit der Mittel oder ist das Körperverletzung im Amt? Und wenn ein Polizeibeamter aus geringer Entfernung einen Mann in den Kopf schießt, der einen Feuerlöscher zu werfen droht: Ist das „Verhältnismäßigkeit der Mittel“ oder ist das schlicht Totschlag?

Wer hier auf die italienische Justiz verweist, redet sich heraus. Denn wer was in zwei Jahren vor Gericht aussagt und wer sich an Details erinnert, das ist eine andere Frage. Und welcher Polizeibeamte ist in seiner Kampfmontur schon als Person erkennbar? Die meisten Übergriffe, die es in Genua gegeben hat, werden nie vor Gericht auftauchen.

Um so wichtiger ist öffentlicher politischer Druck – europaweit. Für das Engagement in Sachen Menschenrechte galt „Globalisierung“ schon immer. Nicht nur dem grünen Außenminister würde es gut anstehen, wenn er sich erkennbar und vorbildhaft dafür engagieren würde, dass für das Italien Berlusconis auch die Menschenrechte der Standard sind.

In Bremen setzen sich zweihundert Menschen auf der Straße dafür ein, während die Politiker sich schweigend wegducken. „Politikmüdigkeit“ ist nicht bei der Jugend, sondern bei denen festzustellen, die die Politik als ihren Beruf bezeichnen. Klaus Wolschner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen