: Kult als Getränk
■ Alles zwischen Ökosäften, Brausen, Bieren und Absinth – die Kollektive Getränke Basis (KGB) in Bremen handelt mit allerlei abseitigen Durstlöschern
Es fängt ganz harmlos an: Mit Bio-Brause. „Bionade“ heißt das Zeug, ein Erfrischungsgetränk aus kontrolliert biologischem und soweiter betriebenen Anbau. Dazu noch kistenweise Ökosäfte, Ökobiere, Ökoweine. Aber das ist nicht alles. Die ganz harten Sachen stehen bloß weiter hinten im Laden. Über'm Verkaufstresen aufgereiht – von 70 Umdrehungen bis zu maximal 10 Milligram Thujon – flaschenweise Absinth.
Die altlinke Kollektive Getränke Basis (kurz und kämpferisch KGB genannt und mit Zapfhahn statt Hammer und Sichel im Logo) hat, was die Flaschen-Abteilungen im Supermarkt kaum haben: Ein selten zu findendes Durstlösch- und Besäufnis-Angebot. Seit fünf Monaten ist die Hamburger Kampfansage gegen trockene Kehlen auch in Bremen etabliert.
Rot und grün leuchtendes Stargetränk des KGB und absoluter Hype in sämtlichen Cocktailgläsern ist und bleibt Absinth. Hochprotzentig und vor allem „richtig hoch-thujorig“, wie Frank Wolter sich ausdrückt. Wolter steht hinterm Tresen und schwärmt von der wiedererlaubten Absinth-Brennerei – allerdings mit deutlich reduzierten betörenden Anteilen aus Wermut (artemisia absinthium).
Nicht nur Yuppies kaufen das Kultgetränk aus den vorletzten Jahrhunderten. Auch 60 Jährige „Normalos“ zieht es immer häufige zu Absinth ins KGB, zählt Wolter. „Schließlich kann man das genauso genießen wie einen guten Whiskey.“ Und dann lockt ja noch die berühmte Dichter und Maler Garde zum Probieren ihres Rauchmittels: Baudelaire, Rimbaud, Van Gogh oder Picasso, alle haben sie Absinth geschätzt, daran gelitten, sich inspirieren lassen. Mit seiner Hilfe haben sie erst „ungeheuerliche, grausame“ und nach noch mehr Absinth „wundervolle, sonderbare Dinge“ gesehen, gemalt, gezeichnet, schwärmte schon Oscar Wilde. Von Hemingway wird berichtet, er habe seinen Absinth am liebsten mit Champagner aufgefüllt und selbige Cocktail-Mischung vielversprechend „Death in the Afternoon“ getauft.
Überhaupt war Absinth früher um Nummern härter als Absinth heute. Mindestens zehn mal so viel vom betörenden Wirkstoff Thujon hatten die Brenner damals reingekippt. Krämpfe, Übelkeit, Bewegungs- und Empfindungsstörungen wurde dem Rauschmittel zugeschrieben. Chronischer Missbrauch verdiente sich damals den Namen Absinthismus. „Die haben sich mächtig zulaufen lassen mit dem Zeug“, meint Wolter.
Die Prohibitions-Welle schließlich raffte das Kultgetränk damals dahin. Absinth wurde in fast allen westlichen Ländern verboten – als erste und bislang einzige Spirituose. 1914 war das. Als Frankreich schon fürchtete, den Weltkrieg zu verlieren, weil Thujon die Verteidigungsfähigkeit der Armee unterminieren würde.
Bis 1998 blieb Absinth verboten. Dann wurde die geringer dosierte Version von der EU erlaubt und das Kultgetränk wurde wieder Kult. „Aber Absinth ist nicht Absinth“, weiß der Kenner. Etliche Marken enthalten überhaupt kein Thujon, nur richtig viel Alkohol. „Aber da kann man besser gleich Strohtmann trinken“, meint Wolter. Von sieben Absinth-Produkten hat KGB sind nur zwei thujon-haltige im Angebot. Der Rest soll jetzt aus dem Programm fliegen.
Auch ohne Alk und ohne Thujon, kann man sich am KGB berauschen. Club-Mate ist das Urgetränk. Ohne Alkohol, dafür auf Mate-Eistee-Basis und viel Koffein, doch ohne Zittergefühl und „Kaffeekasper“ nach reichlichem Genuss. Damit konnte KGB-Gründer Haunie einst zig Nachtwachen durchstehen. Und versucht nach solchen Erfahrungen das Bayern-Bräu im hohen Norden groß rauszubringen. Selbst die Bionade-Limo wird als reine Energiequelle gepriesen, als das weltweite erste isotonische wirkende Bio-Getränk.
Glaubt man Wolter dann sind die Bestseller im KGB immer noch nicht Absinth und Alk, sondern immer noch altbewährte Säfte und Club-Mate. Allerdings wird die Zahl der Thujon-Verehrer immer größer. pipe
KGB, Sielwall 33, www.necta.de
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