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Rückschlag für Stammzellforscher

Die Entscheidung, ob das Klonen von Menschen erlaubt oder verboten sein soll, trifft auch in der EU jedes Land selbst. In vielen Staaten gibt es derzeit überhaupt noch keine gesetzlichen Regelungen

BERLIN taz ■ Für Stammzellforscher der ganzen Welt ist die Entscheidung des US-Repräsentantenhauses ein Rückschlag. Im Streit um das Für und Wider der Embryonenforschung konnten sie bisher auf die fast unbegrenzte Forschungsfreiheit in den USA verweisen. Mit dem Argument, die Forschung dürfe nicht von der internationalen Entwicklung abgeschnitten werden, sollte auch hierzulande eine liberalere Praxis der Embryonenforschung durchgesetzt werden. Jetzt bleibt als liberales Vorbild nur noch Großbritannien, das als einziges Land das therapeutische Klonen explizit per Gesetz zugelassen hat.

In vielen Staaten gibt es noch keine speziellen Regelungen über das Klonen von menschlichen Embryonen. Ein weltweiter Konsens besteht bei den Politikern lediglich darüber, dass es zurzeit nicht erlaubt sein soll, einen kompletten Menschen zu klonen. So enthält zum Beispiel die im Herbst beschlossene europäische Grundrechte-Charta ein Verbot des „reproduktiven Klonens von Menschen“. Auch die Bioethik-Konvention des Europarats enthält ein Klonverbot. Beide Regelwerke lassen aber das therapeutische Klonen zu, bei dem Ersatzgewebe für Kranke gezüchtet werden soll. Diesen Bereich zu regeln ist den Nationalstaaten überlassen.

Eine gemeinsame Linie gibt es in Europa derzeit nicht. So ist in Italien lediglich das Klonen eines Menschen verboten. In Deutschland, Österreich, der Schweiz und weitgehend auch in Frankreich ist hingegen die verbrauchende Embryonenforschung gänzlich untersagt. In der Schweiz ist die Situation zurzeit ähnlich wie in Deutschland. Dort wird über ein Foschungsvorhaben diskutiert, bei dem importierte Stammzelllinien genutzt werden sollen.

Andere Länder haben dagegen noch keinerlei gesetzliche Regelungen zur Embryonenforschung verabschiedet. Dazu gehören Griechenland, Irland, Belgien, Polen, Tschechien und die Türkei. Dort wäre selbst das Klonen eines kompletten Menschen zulässig.

In Frankreich wiederum soll die Forschung mit Embryonen zugelassen werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf brachte die französiche Regierung vor wenigen Wochen auf den Weg. Genutzt werden dürfen aber nur „überzählige“ Embryonen, die bei der künstlichen Befruchtung übrig bleiben. Die Herstellung von Embryonen eigens für Forschungszwecke soll verboten bleiben. Untersagt bleibt damit auch die Herstellung von Embryonen mit dem Klonverfahren, unabhängig davon, ob sie für die Reproduktion eines Menschen eingesetzt werden sollen oder zur Gewinnung von Stammzellen.

Vor wenigen Tagen billigte auch die russische Regierung einen Gesetzentwurf, der das Klonen von Menschen verbietet. Demnach soll selbst die Einfuhr von geklonten menschlichen Embryonen verboten sein. Das Verbot ist jedoch auf fünf Jahre befristet. Danach soll erneut entschieden werden. Mit dem Gesetz will sich Russland, dessen Wissenschaftler selbst noch nicht so weit sind, menschliche Zellen zu klonen, den Zugang zur Bioethik-Konvention des Europarats und zu anderen Menschenrechtsdokumenten sichern.

Noch weiter gehen will der Bioethik-Ausschuss der japanischen Regierung. Er sprach sich gestern für einen grundsätzliches Klonverbot aus. Auch das therapeutische Klonen soll rechtswidrig bleiben. Für die Stammzellforschung sollen nur Embryonen genutzt werden dürfen, die bei der künstlichen Befruchtung übrig bleiben und ansonsten vernichtet würden. Falls die Wissenschaftsbehörde den Empfehlungen noch in diesem Monat zustimmt, können die schon in den Startlöchern stehenden japanischen Forscher noch vor Jahresende mit der Gewinnung embryonaler Stammzellen beginnen.

WOLFGANG LÖHR

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