: Wider die Klischees
■ Basso Profundo vom DJ-Kollektiv „Sonido Bestial“ zu Salsa-Exotismus und Lateinamerika-Boom
In Sachen Verbreitung und Vermittlung so genannt lateinamerikanischer Musik nimmt Sonido Bestial in Hamburg eine besondere Stellung ein: Die vierköpfige Gruppe von DJs und RadiomacherInnen bietet bei ihren Clubabenden Salsa-Tanzkurse an und möchte mit der üblichen, stereotypen Wahrnehmung der „Urlaubsmusik“ aus Mittel- und Südamerika aufräumen. taz hamburg sprach mit DJ Basso Profundo über Salsa als Pop und den ethnifizierenden Blick des Westens.
taz hamburg: Basso Profundo, wie lange bist du – unter diesem Namen – in dieser Tätigkeit unterwegs?
Basso Profundo: Angefangen habe ich 1997, unter dem Namen aufzulegen. Mit der Musik, mit Latin, beschäftige ich mich seit 1988. Da hatte ich einen längeren Mittel- und Südamerika-Aufenthalt, ein halbes Jahr von Kuba über Mexiko bis runter nach Bolivien, habe da die Musik entdeckt und dann das Interesse weiter verfolgt. Aufgelegt habe ich das erst viel später. ... Mir ist es nicht anders gegangen, als den meisten Deutschen/Europäern, die sich für diese Musik interessieren: Sie haben sie nämlich in Lateinamerika gehört, haben sie dann vielleicht mit nach Hause genommen, sich nicht weiter damit beschäftigt, um dann von lateinamerikanischer Musik zu sprechen. De facto aber waren die Länder, in denen ich war – außer Kuba –, Länder, die die Musik selber auch erst seit den 60er Jahren hören. Afro-latinische Musik ist erst mit dem Salsa-Boom Anfang der Siebziger in Mittel- und Südamerika wirklich populär geworden, es ist dort eigentlich genauso importierte Musik wie zum Beispiel die Beatlemania in Deutschland oder den USA. Das heißt, was für uns immer so authentische Urlaubsmusik aus Lateinamerika ist, ist de facto erst vor rund dreißig, vierzig Jahren aus Kuba, aus Puerto Rico und vor allen Dingen aus New York dorthin exportiert worden.
Seit 1997 ist resonanzmäßig etwas passiert: ein gewisser Hype um alles, was aus Richtung Südamerika kam. Würdest du das bestätigen?
Also, ich glaube, das muss man trennen. Es gab in Europa – aber auch weltweit – diesen so genannten Kuba-Boom, der losgetreten worden ist durch Buena Vista Social Club. Ich denke mal, das ist so 1998 gewesen. ... Der andere Strang ist der, dass es einfach mit Jennifer Lopez/Ricky Martin so eine Latin-Pop-Phänomen gab, was, glaube ich, mit dem Kuba-Boom in dem Sinne nicht viel zu tun hat. Auch wenn das aus der europäischen Perspektive gerne mal zusammengeschlossen wurde. Was ja auch nicht untypisch ist für eine eurozentristische oder westliche Perspektive auf diese Musik. Musik aus diesen Weltgegenden wird ja immer stark ethnifiziert wahrgenommen. Da spricht man eben nicht von Genres, wie man es westlichen Genres zubilligt, sondern man definiert die Musik, in dem man mit dem Finger auf das ferne Land zeigt. Von daher neigt man bei uns dazu, dann auch keine großen Unterschiede in der Musik mehr zu sehen, sondern das alles zusammenzuschließen: Das ist Musik mit einem gewissen Flair, Urlaubsflair.
Wie würdet Ihr von Sonido Bestial Eure Funktion als „Vermittler“ einschätzen? Ihr bedient ja möglicherweise genau solche Bedürfnisse. Welche Rolle spielt das?
In den Sendungen und auf den Clubabenden von Sonido Bestial bemühen wir uns darum, gewisse Klischees, mit denen man die Musik hier verbindet, zu vermeiden. ... Ich glaube letztlich und endlich können und wollen wir auch nicht vermeiden, dass Leute zu unseren Veranstaltungen kommen, die irgendwie meinen, der Kubaner habe den Rhythmus im Blut. Das kann man als DJ schlecht steuern, was die Leute dazu denken, die dazu tanzen. Was anderes ist es bei der Radiosendung, die wir seit Anfang des Jahres auf FSK machen, Sonido Bestial heißt die, wie unsere DJ-Vereinigung. Da kann man natürlich schon etwas expliziter darauf achten, anders über die Musik zu sprechen, eine „Normalität“ des Redens darüber Einzug halten zu lassen, wie man sie eben von anderer Musik auch kennt. Wir vermeiden die Worte Folklore oder Weltmusik, für uns ist es einfach populäre Musik. Wir versuchen auch immer mit zu reflektieren, welche Marktkräfte bei der Verbreitung dieser Musik wirken. Wir versuchen, indem wir etwas über die Geschichte der Musik erzählen, klarzustellen, dass der ethnifizierende Blick auf die Musik eigentlich keine guten Argumente für sich hat.
Interview: Alexander Diehl
Sonido Bestial: jeden 3. Sa im Monat, das nächste Mal: 18.8., 23 Uhr, Fundbureau; The Sunday Latin Show: Sonntag, 5.8., sonst jeden 1. und 3. So, 17–19 Uhr, auf FSK. sonidobestial§yahoogroups.com
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