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Mauer und Stacheldraht am Main

Zum Abschluss des vierten Grenzcamps in Frankfurt am Main forderten die Demonstranten, die Flüchtlinge im Flughafenverfahren freizulassen. Doch den Weg zum Abschiebelager versperrte die Polizei mit Stacheldraht

aus Frankfurt/Main HEIDE PLATEN

Über den Wolken mochte die Freiheit grenzenlos sein, am Boden war der Frankfurter Flughafen auch am Samstag kaum zugänglich. Zur Abschlussdemonstration des einwöchigen 4. Antirassistischen Grenzcamps waren über 2.000 TeilnehmerInnen gekommen. Die Flughafengesellschaft Fraport ließ nur Passagiere mit gültigen Flugtickets in die beiden Terminal-Gebäude ein. Unterdessen hielt die Polizei am Bahnhof des Flughafens einen Teil der Demonstranten wie schon an den Vortagen kurzfristig fest.

Ziel der Demonstration, die mit Verzögerung im strömenden Regen begann, war diesmal die „Flüchtlingsunterkunft innerhalb des Transitbereichs“, wie das exterritoriale Abschiebelager für Asylbewerber auf dem Flughafengelände offiziell bezeichnet wird. Mit Transparenten und Sprechchören forderten die Demonstranten die Freilassung der Flüchtlinge und den Stop der Abschiebeflüge: „No borders, no nations, stop deportations.“

Eine Grenze der besonderen Art hatte sich die Frankfurter Polizei als „Deeskalationsmaßnahme“ ausgedacht. „Wir halten uns hier mit unserer Anwesenheit absichtlich zurück“, erklärte Polizeisprecher Peter Öhm, „damit sich die Leute einen eigenen Eindruck verschaffen können.“ Und der war so überraschend, dass die Demonstration ins Stocken geriet und Delegierte der einzelnen Gruppen diskutierten, ob sie tatsächlich in die letzten 50 Meter bis zum Abschiebelager einbiegen sollten. Denn rechts und links der Stichstraße waren bis zur Schranke der Toreinfahrt mit Beton beschwerte Doppelreihen von Absperrgittern aufgebaut, in den Zwischenräumen bis Brusthöhe aufgefüllt mit stacheligen Rollen Natodraht. Dahinter standen drei Wasserwerfer.

Während die Delegierten noch stritten, ob sie sich in diese „entwürdigende“ Falle begeben, ihren Abbau fordern oder aber weiter marschieren sollten, stimmten die meisten Teilnehmer mit den Füßen ab und nahmen die Grenzziehung näher in Augenschein: „Sieht ja aus wie an der ehemaligen DDR-Grenze.“ Zu den Eingeschlossenen jenseits von Mauer, Stacheldraht und verschweißten Fensterschlitzen bekamen sie keinen Kontakt. Nach draußen gelang über Handy lediglich eine Auskunft: „Nichts zu hören und nur Polizei zu sehen.“ Einer Delegation des Grenzcamps hatte die Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport den Zugang verweigert.

Dennoch zog Sprecherin Rosa Kemper zum Abschluss des antirassistischen Grenzcamps ein positives Fazit: „Wir waren noch nie so viele.“ Außerdem hätten die Aktionen und Diskussionen eine „inhaltliche Erweiterung“ erfahren. Die Auseinandersetzung über Themen wie Abschiebung, alltäglicher Rassismus, Zwangsarbeiterentschädigung, Weltwirtschaft und Gesellschaftsutopien seien im Nachgang zum G 8-Gipfel in Genua so intensiv gewesen „wie noch nie zuvor“. Das nächste internationale antirassistische Grenzcamp soll im kommenden Jahr in Straßburg stattfinden.

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