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Kollege Kapitalist motivierter

Aktienoptionen sind nicht neu: Über Belegschaftsaktien motivieren und binden Firmen seit langem ihre Mitarbeiter. Der Mittelstand kann sie dagegen kaum nutzen

HAMBURG taz ■ Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) will sie, die Wirtschaftslobby will sie auch, und selbst die skeptischen Gewerkschafter haben sich inzwischen mit dem Gedanken an Mitarbeiterbeteiligung angefreundet. Jetzt geht es hauptsächlich um die Modelle.

In Deutschland beschränkt sich die Auswahl bislang noch vor allem auf die klassische Belegschaftsaktie. Rund 1,8 Millionen Arbeiter und Angestellte in 400 Aktiengesellschaften besitzen entsprechende Anteile von Volkswagen, Siemens, Continental oder anderen großen Unternehmen. Nur knapp eine halbe Million darf sich dagegen über andere Beteiligungen an ihrem Arbeitgeber oder über Aktienoptionen mehr oder weniger freuen.

Das Prinzip ist immer das Gleiche: Ein Unternehmen bietet seinen Beschäftigten Anteilsscheine zu einem Preis knapp unter dessen aktuellem Wert an. Die Spanne zwischen Kaufpreis und tatsächlichem Marktwert am Tag X fließt nach Abzug der Steuern in die Taschen der neuen Angestellten-Unternehmer.

Rund 2.700 Firmen in Deutschland pflegen entsprechende Modelle, der Gesamtwert aller Mitarbeiterbeteiligungen beträgt 25 Milliarden Mark. Im Verhältnis zur Zahl der abhängig Beschäftigten ist das nicht weniger als in den USA, dem Mutterland der Beteiligung. Dabei handelt es sich selbstverständlich weder um eine soziale noch um eine verteilungspolitische Maßnahme. Studien weisen darauf hin, dass Beteiligungsfirmen wirtschaftlich besonders erfolgreich arbeiten. Die niederländische Bank ABN Amro glaubt sogar so fest an „Mitarbeitermotivation als entscheidenden Wettbewerbsfaktor“, dass sie Anlegern einen eigenen Fonds auf dieser Basis anbietet. Grundbedingung für die Aufnahme: Die Belegschaft muss mindestens 10 Prozent der Anteile halten. In den USA sind das einige hundert, in Großbritannien bislang 36, aber in Deutschland erfüllt noch kein Unternehmen diese Forderung.

Mit 8 Prozent nahe dran ist allerdings der Siemens-Konzern, der neben Rosenthal und Volkswagen zu den ersten deutschen Unternehmen zählt, die Belegschaftsaktien ausgaben – seit 1969 jedes Jahr zwischen sieben und zwölf Aktien pro Kopf. Und das auf allen Hierarchieebenen. Bei Einhaltung bestimmter Regeln bleibt ein geldwerter Vorteil von 300 Mark steuerfrei. Freilich wird – nicht nur bei Siemens – nach oben hin im Regelfall aufgestockt. Vorstandsmitglieder kassieren so ungleich mehr Aktien als Fließbandarbeiter.

Diesen Trend verschärfen Aktienoptionen, eine Idee aus den USA, die seit dem Kontra-Gesetz (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich) von 1998 auch in Deutschland möglich sind. Das Prinzip ähnelt dem der Belegschaftsaktie. Allerdings wird hier ein Anrechtsschein zwischengeschaltet, der oft erst nach Jahren oder gestückelt zum Kauf von tatsächlichen Firmenaktien berechtigt. Vor allem aber erreichen sie finanziell ungleich größere Dimensionen. So vertraut die so genannte neue Ökonomie, Gentechnik, Internet oder Kommunikation, fast rundum auf die so genannten Stock Options. Michael Lezius, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft (AGP), schätzt, dass 70 Prozent der Firmen am Neuen Markt auf diese neue Form der Bezahlung bauen.

Die meisten Unternehmen interessiert das allerdings kaum. „Was ist mit kleinen und mittleren Firmen?“, fragen die Handwerks- und Mittelstandsverbände. Bei Neugründungen haben sie noch die Möglichkeit, ihre Beschäftigten durch eine Kapitalbeteiligung ins Boot zu holen, indem sie sie direkt als Mitgesellschafter aufnehmen. Schwierig wird das beim Ausscheiden aus der Firma oder dem Verkauf der Anteile. Bisher übliche Lösungen gehen entweder zu Lasten des Beschäftigten oder des Unternehmens. HERMANNUS PFEIFFER

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