: Eine Mauer aus Kränzen
Bei Gedenkfeiern empören sich SED-Opfer über PDS-Kränze für Mauertote. Debatte um Entschuldigung der PDS für Grenzregime spitzt sich zu
von PHILIPP GESSLER
Die Auseinandersetzung um die Zusammenarbeit von SPD und PDS in der Hauptstadt hat die gestrigen Gedenkveranstaltungen zum 40. Jahrestag des Mauerbaus überschattet. Politiker der SED-Nachfolgepartei, aber auch SPD-Politiker sahen sich scharfen Vorwürfen wegen ihrer Kooperation im Abgeordnetenhaus ausgesetzt. Zugleich ging der politische Streit um die fehlende offizielle Entschuldigung der PDS für die Mauer weiter.
Bei der offiziellen Gedenkfeier der Stadt im Roten Rathaus wurde ein Transparent mit dem Spruch „SED = PDS und SPD – Mauermörder – Neue Normalität“ entrollt. Beifall erhielt ein ehemaliger politischer Häftling, der in einer nicht vorgesehenen Spontanrede erklärte, ein Kranz der PDS an der Mauer sei ebenso verwerflich wie ein Kranz von Neonazis an der Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus in Plötzensee.
SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit war es erst am Wochenende gelungen, einzelne Vertreter von Opferverbänden von einer Teilnahme an den Gedenkveranstaltungen zu überzeugen. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wurde beim Besuch einer Ausstellung zum Mauerbau vor 40 Jahren in der Gedenkstätte an der Bernauer Straße von Mitgliedern von Opferverbänden mit Pfuirufen empfangen. Demonstranten versuchten, Kränze der PDS zu entfernen und zu zertrampeln. Einer der Protestierer wurde vorübergehend festgenommen. Nach dem Niederlegen eines Kranzes erklärte die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel, der Mauerbau mahne dazu, „immer für die Freiheit einzutreten“.
Wowereit forderte die PDS auf, „sich zu entschuldigen bei den vielen Opfern der DDR-Diktatur“. Sein CDU-Gegenspieler für die Abgeordnetenhauswahlen, Frank Steffel, sagte am Rande der Feiern, „die Partei der Mauerschützen von damals“ könne nicht „die Senatoren von morgen stellen“. Der Berliner SPD-Chef Peter Strieder warnte dagegen die CDU davor, die Mitverantwortung der Ost-CDU für den Mauerbau zu verdrängen. Der PDS-Spitzenkandidat für die Wahlen, Gregor Gysi, lehnte eine Entschuldigung seiner Partei für den Mauerbau ab. Er betonte jedoch, das „inhumane Grenzregime“ der DDR könne durch nichts gerechtfertigt werden.
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