: Freie Schule weist Kritik zurück
■ Prinzhöfte: Neuer Schulleiter ist der alte. Der zeigt sich von Kritik unbeeindruckt: „Wir gucken jetzt wieder nach vorne“
„Ich wollte mein Kind nicht sehenden Auges absaufen lassen,“ sagt Wolfgang Mützelfeldt, der alte und neue Leiter der Freien Schule Prinzhöfte. Seit einer Woche führt der Prinzhöfte-Gründer, der vor zwei Jahren aus gesundheitlichen Gründen den Dienst quittiert hatte, wieder die Geschicke des in die Kritik geratenen Schulprojekts. „Ich bin gekommen, weil die Genehmigung der Schule daran hing“, sagt Mützelfeldt, der neben den Klassen 1 bis 4 jetzt auch die neue Sekundarstufe I (5./6. Klasse) führt. Mützelfeldt will Prinzhöfte wieder in ruhige Bahnen lenken. „Wir gucken jetzt wieder nach vorne“, sagt der Reformpädagoge. Die Bezirksregierung Hannover hatte Mützelfeldts Vorgänger Lutz Wendeler in den Sommerferien abgesetzt. Wendeler wird wahrscheinlich dagegen Einspruch einlegen.
„Es gab keine Baugenehmigung für das neue Schulgebäude in Bassum, Lehrkräfte hatten keine Unterrichtserlaubnis, Zeugnisse waren formal nicht korrekt“, sagt Regierungsschuldirektorin Ursula Reimers. Deshalb entzog sie Prinzhöfte vorerst die Anerkennung als Staatliche Schule und damit öffentliche Fördermittel. Reimers: „Das betrifft jedoch nicht die Genehmigung: Der Schulbetrieb darf weiterlaufen.“
Die Kritik einiger Eltern am Unterricht in Prinzhöfte könne sie nicht teilen: Im vergangenen Jahr hatte die vor dem Umzug von Prinzhöfte nach Bassum zuständige Bezirksregierung Weser-Ems ein schulfreundliches Gutachten ausgestellt, in dem Sozialkompetenz, Kommunikationsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Schule ausdrücklich gelobt worden waren. Reimers: „Das Konzept von Prinzhöfte ist nicht unser Thema, nur die formalen Mängel.“
Indes beteuern viele Eltern ihre inhaltliche Kritik an Prinzhöfte. „Auch meine Töchter gehören zu den Kindern, die die Schule verlassen haben“, schreibt Ruth Siber in einem Brief an die taz. Einst hätte die Mutter „das Konzept der Schule, aufgebaut auf ökologischem Denken, Freinet-Pädagogik und systemischer Pädagogik“ überzeugt (siehe Kasten).
Allerdings, so Siber, sei „in den letzten zehn bis zwölf Monaten der Schulalltag zu einer Karikatur demokratischer Grundregeln und des Schulkonzepts“ geworden. 27 Kinder hätten Prinzhöfte inzwischen in Richtung Regelschule verlassen. Dort müssten sie jetzt „erhebliche Wissenslücken“ aufarbeiten. Siber: „Die Lehrer an den neuen Schulen staunen, dass die Kleinen die elementarsten Dinge nicht beherrschen. Mindestens neun Kinder sind an ihren neuen Schulen eine Klasse zurückgesetzt worden.“ Andere Eltern bestätigen, dass in der Ära Lutz Wendelers das an sich gute Konzept „nicht umgesetzt“ worden ist. „Die wichtigsten Dinge lernen die Kinder nicht: Lesen, Schreiben, Grundrechenarten“ empört sich Ulrike Remke. „Jetzt fallen sie in ihren neuen Schulen voll auf den Bauch.“
Wolfgang Mützelfeld verteidigt seinen abgesetzten Vorgänger: „Die Schülerzahl hat sich in den zwei Jahren, in denen ich nicht da war, fast verdoppelt – und es gibt weitere Anmeldungen.“ Außerdem gingen die Klassen 5 und 6 demnächst auf eine zweiwöchige Wesertour, die noch unter Wendeler geplant worden sei. Mützelfeldt: „Es wird unter anderem Wasseranalysen und Straßentheater geben – ich würde nichts anderes tun. Das ist genau die Umsetzung meines Konzeptes.“
Mützelfeldt bestreitet indes nicht, dass es in der Amtszeit Wendelers Kritik gegeben hätte. Aber: „Wir können nicht die Interessen aller bedienen. Das wollen wir auch gar nicht.“
Für den Bremer Universitäts-Professor Johannes Beck, der sich seit den 70er Jahren für die Einführung der Reformpädagogik in Deutschland stark macht, ist die Kritik der Eltern „ein alter Streit: Die Prinzhöfter Kinder können eben andere Dinge als korrekt Lesen oder Schreiben: Sie lernen, sich auszudrücken und werden nicht erdrückt.“ Bei den unterschiedlichen Schwerpunkten zwischen Regel- und Freier Schule sei es völlig klar, dass es bei den Übergängen in die Regelschule hakt. Beck: „Und dann sagen die Kritiker: ,Siehste!'“
Kai Schöneberg
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