: Die UÇK wartet auf die Nato
Bei seiner ersten Pressekonferenz zeigt sich Rebellenchef Ahmeti zufrieden: Die Albaner erkämpften sich mehr Rechte, die Nato soll sie nun verteidigen
aus Šipkovica ERICH RATHFELDER
Auf den ersten Blick sieht man wenig von den Schäden, die hunderte von Granaten in diesem Dorf angerichtet haben. Das Dorf Šipkovica, in den Šar-Bergen über Tetovo gelegen, gehörte zu den ersten Dörfern Mazedoniens, die seit März von der UÇK kontrolliert und deshalb beschossen wurden. Doch bei näherem Hinschauen ergibt sich ein anderes Bild. Viele Dachstühle sind beschädigt. „Wir saßen oft im Keller, haben uns so geschützt, hier im Dorf ist niemand durch die Granaten umgekommen, es gab aber Verletzte“, sagt Dehar Saiti, ein junger Mann, der lange Jahre in Deutschland gelebt hat.
Die Menschen sind erleichtert, dass der Krieg nun zu Ende zu gehen scheint. Seit Monaten leben sie ohne ausreichende Versorgung und ohne Möglichkeiten, das Dorf zu verlassen. Dass die UÇK diesen Ort für ihre erste Pressekonferenz vor der versammelten Weltpresse ausgesucht hat, ist kein Zufall. Hier in den Bergen an der Grenze zum Kosovo hat der Krieg begonnen, hier soll er auch beendet werden.
Umgeben von seinen Leibwächtern, unter der rot-schwarzen Fahne der Albaner, der blauen der Nato, der US-Fahne und jener der EU bemühte sich UÇK-Sprecher Ali Ahmeti, die Botschaft seiner Armee ins rechte Licht zu rücken. „Wir sind bereit, die Waffen niederzulegen,“ erklärte der 43-Jährige. „Nach diesem Krieg gibt es eigentlich zwei Sieger. Die Albaner, weil sie ihre grundlegenden Rechte in diesem Staat durchsetzen konnten, aber auch die Mazedonier, weil in Zukunft in diesem Land eine echte Demokratie entwickelt wird und europäische Standards gelten werden.“ Artig dankt er der internationalen Gemeinschaft. „Wir haben Garantien von Seiten der USA, der EU und der Nato erhalten, dass das politische Abkommen auch umgesetzt wird.“ Zweifelnde Fragen werden knapp beschieden. Die UÇK werde alle ihre Waffen an die Nato abgeben, selbst dann, wenn die Ratifizierung des Abkommens durch die Mazedonier im Parlament verzögert würde. Eine Kommission aus Vertretern der UÇK und der Nato werde feststellen, wie viele Waffen im Umlauf sind. 2.000 sagt die UÇK, die mazedonische Seite jedoch geht von 8.000 aus.
Ahmeti gibt sich zurückhaltend. Und doch ist zu spüren, dass er in Siegerstimmung ist und das wichtigste politische Ziel der UÇK erreicht hat: Die Albaner haben die Präsenz der internationalen Gemeinschaft im Lande erzwungen. Nato-Truppen werden kommen. Und – so rechnet die UÇK insgeheim – die Soldaten werden länger bleiben müssen als jene 30 Tage, die bisher offiziell als Verweildauer angegeben werden. In der Tat ist die Verlängerung möglich, wenn die Lage es erfordert. Dies hatte schon am morgen ein US-Diplomat im Nato-Pressezentrum im Hotel Holiday Inn von Skopje angedeutet.
Zur Pressekonferenz der UÇK ist kein Vertreter der mazedonischen Medien erschienen. Dies jedoch stört Ahmeti genauso wenig wie kritische Nachfragen zur „Albanischen Nationalarmee“ ANA, einer Abspaltung von der UÇK. „Den Frieden zu erlangen ist ein Prozess. Was die albanische Seite betrifft, so haben wir alles unter Kontrolle.“ Die Leute im Dorf Šipkovica stimmen zu: „Wir haben von dieser Abspaltung nur aus den Medien gehört. Hier gibt es so etwas nicht.
In der slawisch-mazedonischen Bevölkerung bleibt dennoch Mißtrauen. „Wir haben den Fehler gemacht, unsere Truppen zurückzuziehen, als die Nato es wollte,“ sagt Dragan, Soldat der mazedonischen Armee, der an seinen freien Tagen als Nachtwächter in Skopje arbeitet. Er hätte den Kampf lieber mit Waffen ausgetragen. „Und wenn es sein muss, könnten wir das Land aufteilen.“ Dass jetzt die internationale Gemeinschaft in „unserem Land das Sagen hat“, behagt ihm gar nicht.
Auch nicht den Demonstranten, die sich an einem Grenzübergang zum Kosovo, in Blace, versammelt haben. Mit Sand und Schottersteinen haben sie hier am Wochenende den Verkehr zum Erliegen gebracht. Da 90 Prozent des Nachschubs für die Nato-Truppen im Kosovo über Blace gehen hat die Aktion einen empfindlichen Nerv getroffen. Die Blockierer eines so genannten „Mazedonischen Weltkongresses“ sind alles andere als friedlich gesinnt. Selbst slawisch-mazedonische Journalisten werden von ihnen bedroht.
„Das sind ein paar Extremisten, die unsere Stimmung nicht ausdrücken“, sagt Slavenka, eine 30-jährige Kindergärtnerin. Sie hofft, dass endlich die Zeit der Angst vorüber ist. „Wir, meine Familie und meine Freunde, warten auf die Nato.“ Dann werde sich die Lage schon beruhigen, sagt die blonde Frau, die mit einem Angestellten im Außenministerium verheiratet ist. „Wir wollen endlich mal wieder Ferien machen.“
Andere Mazedonier hoffen darauf, dass sie endlich wieder nach Hause können. „Alle Flüchtlinge dürfen sofort zurückkehren“, sagt Ali Ahmeti während seiner Pressekonferenz. Und auch die über 100.000 Albaner, die aus dem Kampfgebiet fliehen mußten und nun im Kosovo oder anderen Regionen Mazedoniens leben, sollen mit Hilfe des UN-Hilfswerkes UNHCR in ihre Heimat zurückgebracht werden.
Mehmet steht vor seinem zerstörten Frisörsalon mitten in Tetovo. Auch die gegenüberliegende „Teke“, ein islamisches Heiligtum, das man vor 30 Jahren zu einem Hotel umbaute, wurde schwer beschädigt. Unzählige Löcher haben die Artilleriegeschosse in die Wände der Wohnhäuser gerissen. „Wenn der Frieden kommt, baue ich das wieder auf“, sagt Mehmet. „Wir warten jetzt nur auf die Nato.“
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