: Schwarzer Block aus Stoff
Anlässlich des internationalen „Peoples Global Action Day“ sorgten Globalisierungskritiker gestern auch in Berlin mit Besetzungen, Straßen-Performances und Petitionen für öffentliches Aufsehen
von HEIKE KLEFFNER und CHRISTIAN TERIETE
Anlässlich des internationalen „Peoples Global Action Day“ , hielt ein Phantom die Berliner Polizei in Atem: der seit den G-8-Protesten in Genua viel zitierte „Schwarze Block“. In Berlin präsentierte er sich in Form eines 5 x 5 Meter großen hohlen Würfels aus Stoff vor dem Bundesinnenministerium. Mit einer Performance forderten rund 40 Globalisierungskritiker, darunter etliche, die in Genua von der Polizei misshandelt und inhaftiert worden waren: „Freilassung der politischen Gefangenen von Göteborg und Genua, Einstellung der Schauverfahren und die Einrichtung einer europäischen Untersuchungskommission.“
Mit der ironischen Forderung, Innenminister Schily solle den „Schwarzen Block fassen und an Italien ausliefern“, protestierte man auch gegen den Minister-Vorschlag einer EU-weiten Anti-Krawall-Polizei und bundesweiten „Polithooligan-Datei“. „Schily hilft mit, die Bewegung zu kriminalisieren, indem er das Konstrukt eines Schwarzen Blocks übernimmt“, sagte eine Studentin. Sie verwies darauf, dass die italienische Justiz mit Hilfe von beschlagnahmten Taschenmessern, Kapuzenpullis und Zeltstangen eine derartige Mitgliedschaft exemplarisch für 17 noch inhaftierte Deutsche und Italiener konstruiere.
Dass deren Situation mehr Aufmerksamkeit bedarf, machte gestern die PDS-Bundestagsabgeordnete Heidi Lippmann deutlich. Sie berichtete von einem Besuch bei acht inhaftierten und misshandelten jungen Männern aus Berlin, Leipzig und dem Ruhrgebiet, deren ärztliche Versorgung „zu wünschen übrig“ lasse. Zudem hätten die Gefangenen „Schwierigkeiten mit einigen Vollzugsbeamten“. Die psychische Situation mehrerer Inhaftierter sei sehr labil. Lippmann forderte daher eine psychologische Versorgung durch Vertreter von Organisationen, die Folteropfer betreuen.
Mehr Nachdruck von deutscher Regierungsseite zur Aufklärung italienischer Polizeimethoden und Freilassung der Inhaftierten forderten neun Frauen und Männer, die mittags die SPD-Bundesparteizentrale für knapp eine Stunde besetzten. Nachdem in der Nacht zum Montag die Fensterscheiben des SPD-Bürgerbüros in Kreuzberg von Unbekannten eingeworfen worden waren, verursachte hier die Polizei den Sachschaden: Bei dem Versuch, die von den Besetzern verschlossenen Türen aufzubrechen, traten Beamte eine Tür ein. Auch ein leer stehendes Haus in der Andreasstraße, das zum Gedenken an den vor genau vier Wochen von Carabinieri in Genua getöteten Carlo Guilani besetzt und zum „Sozialen Zentrum“ ernannt wurde, räumte die Polizei nach wenigen Stunden wieder.
Unbehelligt konnte hingegen eine Straßenperformance am Checkpoint Charlie die Zusammenhänge zwischen Globalisierungskritik und Reisefreiheit darstellen: Während Schaulustige die Ad-hoc-Verurteilung von Demonstranten als „Mitglieder der kriminellen Vereinigung Schwarzer Block“ durch italienische „Scharfrichter“ vorgeführt bekamen, schmückte das Zitat von SPD-Innensenator Ehrhart Körting „Es gibt kein Grundrecht auf Reisefreiheit“ den früheren Grenzübergang zwischen Ost- und Westberlin. Körting hatte damit die Reiseverbote für Globalisierungskritiker gerechtfertigt.
Während Passanten die Kreativität mit Zustimmung bedachten, gab man sich bis zu Beginn der Großdemonstration am Abend auch bei der Polizei Mühe, Flexibilität zu beweisen. Nach Übergabe einer Petition an einen Vertreter des Bundesinnenministeriums trugen Polizisten unter Beifall der Demonstranten den Stoffwürfel in Richtung abgeschirmtes Ministerium.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen