: Bei Blitz: Zahlen
■ Polizei wehrt sich gegen die geplante Knöllchen-Quote, die morgen im Senat verabschiedet werden soll
Neue Geldquellen braucht das Land. Bremen hat jetzt die Raser, Temposünder, Verkehrsgefährder für sich erschlossen. Bei ihnen will das Innenressort auf Weisung des künftigen Senators Kuno Böse (CDU) in Zukunft kräftiger abkassieren. Nach einer Vorlage, die morgen im Senat verabschiedet werden soll, müsste die Polizei dann vermehrt im Straßenverkehr Bußgelder sammeln, um die Kostensteigerung beim knapp 3,5 Millionen Mark teuren Bürger-Service-Centers zu finanzieren (die taz berichtete).
Nach Polizei-Angaben sollen die Beamten rund 2,1 Millionen Mark mehr durch erhöhte Fallzahlen ins Staatssäckel bringen. Das wären mindestens 50.000 zusätzlich ertappte Verkehrssünden – eine Steigerung um satte 30 Prozent, schätzt Dieter Oehlschläger von der Gewerkschaft der Polizei (GdP).Entsprechend groß war gestern die Empörung über die Pläne bei AutofahrerInnen und PolizistInnen. „Wir werden gezwungen, wirkungsvolle Polizeiarbeit zu reduzieren, um das neue Bürger-Service-Center zu finanzieren“, moniert Oehlschläger. Das sei doch „reine Geldmacherei“.
Der Allgemeine Deutsche Automobil Club (ADAC) fürchtet inzwischen gar ganz fiese Tricks, die den Beamten zur Erfüllung ihrer Quote verhelfen könnten. Zum Beispiel: „die Höchstgeschwindigkeit grundlos herunterzusetzen“, um die verdutzten Autofahrer zu blitzen. Oder: Kontrollettis um Mitternacht im Gebüsch vierspuriger Ausfallstraßen, die allen auflauern, „die dort statt der angeordneten 70 mit 79 Stundenkilometern unterwegs sind“.
Blödsinn, sagt dazu zwar der Chef der Bremer Verkehrspolizei, Jens Haase. Trotzdem ist auch er „wirklich nicht begeistert“ über die Senatsvorlage, die das bisherige Bremer Verkehrskonzept über den Haufen werfen würde. Bislang wurden die genauen Vorgaben nicht mal mit ihm abgestimmt – ein Gespräch mit dem designierten Innensenator Böse sei aber anvisiert, heißt es im Innenressort.
Eigentlich versucht die Polizei seit mehr als einem Jahr von den Blitzkästen wegzukommen. Statt anonymer Kontrollen per Photo und Bußgeldbescheid will Haase den direkten Kontakt zum Raser, um so auf die Unfallgefahr durch die erhöhte Geschwindigkeit hinzuweisen. „Wir wollen, dass die Leute am Ende erleichtert sagen: 'Danke Herr Wachtmeister', dass nicht mehr passiert ist.“ Mit diesem Konzept konnte die Bremer Polizei bereits erste Erfolge vorweisen, die inzwischen sogar bundesweit beachtet werden. Allein die Unfälle mit Personenschäden sind zum Beispiel um 17 Prozent gesunken. Bloß: „Bei solch qualitativ hochwertigen Kontrollen kann ich keine Stückzahlen produzieren“, kritisiert Jens Haase. Er will lieber kurierte Raser und mehr Sicherheit im Verkehr als massenhaft Bußgeldbescheide. „Für die Verkehrssicherheitsarbeit ist das ein Schlag ins Gesicht“, kritisiert auch GdP-Mann Oehlschlager.
„Eigentlich müssten alle Ressorts zusammen das Bürger-Zentrum finanzieren“, fordert der Gewerkschafter. Dass dafür zufällig derselben Senator zuständig sei wie für Polizei und Stadtamt, dürfe nicht dazu führen, dass diese jetzt für das Bürger-Zentrum bluten müssten. Denn um mehr Strafzettel zu verteilen, müssten mindestens 20 Beamte mehr Dienst tun, rechnet Oehlschläger, die dann für andere Polizei-Aufgaben fehlen. „Einsparungen durch die Hintertür“ seien das.
Heute will Böse überigens noch einmal Stellung nehmen zu den Vorwürfen. pipe
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