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Freie Wege für Rollstuhlfahrer

Gleichstellungsgesetz für Behinderte in Arbeit. Schärfere Auflagen für Gaststätten und Busse. Neues Klagerecht

BERLIN taz ■ Papier ist geduldig. Von der grundgesetzlich verankerten Gleichstellung der zehn Millionen Behinderten in Deutschland kann so lange keine Rede sein, wie Rollstuhlfahrer nicht in Busse, Bahnen und Flugzeuge kommen, Rampen und schmale Türöffnungen den Zugang zu Arztpraxen, Kinos und Restaurants versperren. Doch nun will die rot-grüne Koalition ihr Wahlversprechen einlösen: Noch in dieser Legislaturperiode solle das Gleichstellungsgesetz für Behinderte in Kraft treten, bestätigte gestern ein Sprecher des Behindertenbeauftragten Karl Hermann Haack der taz.

Den Referentenentwurf will Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) am kommenden Freitag vorlegen. Bei dem Gesetz handelt es sich um ein Artikelgesetz, mit dem bestehende Einzelgesetze geändert werden sollen. So sollen Aufsichtsämter neuen Gaststätten künftig die Lizenz verweigern können, wenn diese keine Behindertentoilette einbauen.

Weitere Auflagen sieht der Referentenentwurf für die öffentliche Verwaltung vor: So sollen Bundesbehörden Behindertenaufzüge einbauen und bei öffentlichen Anhörungen Gebärdendolmetscher hinzuziehen. Bisher mussten Gehörlose Dolmetscher bei Behördenbesuchen selbst bezahlen.

Auch Straßenbahnen und Busse müssen künftig behindertengerecht ausgestattet werden. Verstößt eine Behörde gegen die neuen Regelungen, können Behindertenverbände künftig vor Verwaltungsgerichten klagen.

Grundlage für den Entwurf ist ein Papier des „Forums behinderter Juristinnen und Juristen“, das dieses im vergangenen Jahr vorgelegt hatte. Eine im Januar gebildete Projektgruppe des Arbeitsministeriums hatte die Vorlage in den vergangenen Monaten überarbeitet. Zwar habe es im Detail noch Änderungen gegeben. Aber der nun vorliegende Referentenentwurf „geht in die gleiche Richtung“, so der Sprecher des Behindertenbeauftragten.

Auch das Verbandsklagerecht findet sich demnach in dem Referentenentwurf wieder. Während etwa der Deutsche Industrie- und Handelstag im Vorfeld Zustimmung signalisiert hatte, lehnt die Union ein solches weit reichendes Recht ab.

Das Bundesgesetz ist eine von drei Säulen einer neuen Behindertenpolitik der rot-grünen Koalition. Das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von Schwerbehinderten ist im vergangenen Oktober in Kraft getreten, das neue Sozialgesetzbuch IX. zur medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation zum 1. Juli.

Vorbild für das Gleichstellungsgesetz ist der 1990 eingeführte „Americans with Disabilities Act“ in den USA. Dort können Behinderte ihre Menschenrechte einklagen, sagt etwa die Juristin Theresia Degener. Und 80 Prozent der nach dem Gesetz beanstandeten Hindernisse konnten mit weniger als 500 Dollar beseitigt werden.

Doch die Wirtschaftsverbände reagieren skeptisch. Repräsentanten des Hotel- und Gaststättenverbandes und der Tourismusbranche hätten sich erstaunt gezeigt, dass ein solches Gesetz ihnen zusätzliche Einnahmen bringen könne, sagte Behindertenbeauftragter Haack noch im vergangenen Jahr.

Für den Herbst sind Anhörungen der Verbände geplant. „Da werden wir sehen, ob Behindertenorganisationen und Wirtschaftsverbände mit dem Entwurf einverstanden sind“, so ein Sprecher des Behindertenbeauftragten. NICOLE MASCHLER

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