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Babylon in Babelsberg

Der Streit um Verwertungsrechte bestimmt die dritte internationale Konferenz für Film- und Fernsehproduktionen „Babelsberg 2001“. Produzenten und Senderchefs sich sich nicht grün, der Markt wird übersichtlicher – und undurchschaubarer zugleich

von STEFFEN GRIMBERG

Sommer in Babelsberg. Hier wird „GZSZ“ gedreht, dort „Klinikum Berlin Mitte“ – und im Studio nebenan sitzt die TV- und Filmbranche wohltemperiert bei „Babelsberg 2001“, dem nunmehr dritten Durchgang der Konferenz für internationale Film- und Fernsehproduktion.

Die Rollen sind klar verteilt: böses Fernsehen gegen gute Produzenten. „Senderhaltung nach Gutsherrenart“ geißelt die Produzentenlobby: Wenn deutsche Produzenten international arbeiten, würden sie von ihren ausländischen Kollegen „mit der Nase darauf gestoßen, dass sie in ihrem eigenen Markt diskriminiert, abhängig und ausgenutzt sind“, wettert Georgia Tornow, Generalsekretärin des Lobby-Verbunds Film20.

Der „kreative Produzent“, der selbst TV-Stoffe und Formate entwickelt, sich um Casting und Pressebetreuung kümmert, ist auch in Deutschland wenn schon nicht die Norm, so doch wenigstens das erklärte Ziel. Die Entwicklung wird mittlerweile auch von den Sendergewaltigen akzeptiert – allein bezahlen wollten sie dafür nicht, klagt die Produzentenschaft. Dafür dürften sie, die Produzenten, tatenlos zusehen, wie Sender im Rahmen so genannter Buy-Outs alle Rechte an einer Produktion übernehmen: Ob und wie diese dann im Programm eingesetzt wird, entzieht sich ihrem Einfluss.

Nun gehört dieses Klagelied auf hohem Niveau seit gut fünf Jahren zu jedem anständigen Medienkongress, genauso wie ein gut gelaunter Sendervertreter, der die ganze Aufregung nicht nachvollziehen kann. In Babelsberg war Ewald Walgenbach von der RTL-Group für diesen Part zuständig: Der deutsche TV-Markt sei mit seiner Programmvielfalt einmalig in Europa, bemühte der Chief Operating Officer der Holding aller RTL-Sender ein altbekanntes Mantra. Und natürlich biete die heimische TV-Landschaft auch weiterhin „ganz viel Raum für kleine und kleinste Unternehmen“, überhaupt: „Wer eine gute Idee hat, wird die auch heute los.“ Doch gute Ideen – die Telemesse hat es eindrucksvoll gezeigt – haben derzeit nicht gerade Konjunktur. Denn der deutsche TV-Markt wandelt sich und schafft das Kunststück, übersichtlicher und undurchsichtiger zugleich zu werden – beides zum Nachteil der Produzenten: Offiziell stehen ihnen als Abnehmer für Programmware mehr als 30 TV-Sender gegenüber.

De facto regieren aber nur noch die drei großen Blocks von ARD und ZDF, Bertelsmann/RTL und Kirch. Konsolidierung steht also auf der Tagesordnung, die Senderfamilien sind überwiegend mit sich selbst beschäftigt und würfeln ihre interne Hackordnung aus. Zudem hat der unerwartete Einbruch des Werbemarktes Anfang des Jahres den Sparzwang noch verstärkt.

„Die TV-Produktion wird zu einer normalen Branche mit Wachstumszyklen – die Party ist vorbei“, sagt auch Michael Paul, Direktor der Wiener Beratungsfirma Simon-Kucher. Ihm geht es, wie Film20, um ein völlig neues Geschäftsmodell für die Branche: „Die heilige Kuh der bisherigen Verrechnungsweisen ist tot, es kommt darauf an, dass sie endlich jemand von der Weide zieht.“

Mit dem Rechnen tut sich aber auch die Produktionswirtschaft selbst schwer: Jeweils rund 4,6 Milliarden Mark hat die Branche in den vergangenen zwei Jahren umgesetzt, schätzt die Medienberatungsfirma HMR. Genauere Daten gibt es nicht, auch wenn Wolf Bauer, Chef von Deutschlands größtem TV-Produktionshaus Ufa, die HMR-Zahlen „noch nicht vollkommen“ nennt. Undurchsichtig bleibt der Markt auch deshalb, weil viele Produktionsfirmen selbst Teil der Medienkonzerne sind, die auch die Sender beherrschen. Hinter Bauers Ufa steht wieder einmal Bertelsmann. Zwar gehen nach Angaben des Ufa-Chefs nur rund 40 Prozent seiner Produktionen an Sender der RTL-Familie, doch so eine „special relationship“ verzerrt den Markt, sagen vor allem die Vertreter kleinerer Produktionsfirmen. Wolf Bauer verweist dagegen auf die „oft unterschätzten“ Konflikte innerhalb der Ufa-RTL-Verwandtschaft: Denn schließlich sei RTL-Geschäftsführer Gerhard Zeiler „durchaus ein Senderchef, der vehement seine Interessen vertritt“.

Dass die Ufa offen für andere Kanäle ist, zeigt ein anderes Beispiel: Die Bertelsmann-Tochter produziert mit „Das Quiz“ die neue Show des Sat.1-Überläufers Jörg Pilawa – für die ARD.

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