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Kanzler mag die Steuer nicht

Schröder will keine Unterschriften für die geforderte Spekulationsabgabe annehmen. Außenminister Fischer skeptisch gegenüber französischem Tobin-Steuer-Vorschlag

BERLIN taz ■ SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder steht nicht zur Verfügung. Er habe keine Zeit, teilte das Kanzleramt unlängst dem entwicklungspolitischen Verein Kairos mit. Die Gruppe – Teil des globalisierungskritischen Netzwerks Attac – will Schröder demnächst bis zu 10.000 Unterschriften von Bundesbürgern offiziell überreichen, die sich für die so genannte Tobinsteuer einsetzen. Die Steuer ist eine zentrale Forderung derjenigen, die vor vier Wochen beim Gipfeltreffen der reichsten Länder in Genua demonstriert haben. Sie soll internationale Finanzkrisen lindern, indem spekulative Kapitalbewegungen besteuert werden.

Was symbolische Politik und publikumswirksame Nähe zur erstarkenden Bewegung der Globalisierungskritiker angeht, hat sich der französische Premierminister Lionel Jospin (Parti Socialiste) dieser Tage als schon weiter gezeigt: Auf Vorschlag Frankreichs soll die Europäische Union die Führung beim Thema Tobinsteuer übernehmen. Damit hat sich erstmals der Regierungschef eines großen EU-Landes für die Steuer ausgesprochen. Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) konnte seine Skepsis angesichts des Vorstoßes gestern nicht verbergen. Mehr als „Jeden Vorschlag unserer französischen Freunde sollten wir sorgfältig prüfen“ war ihm nicht zu entlocken.

Die Idee der neuen Steuer hat in den vergangenen zwei Jahren eine erstaunliche Karriere hingelegt. Aus den Köpfen kritischer Geister hat sie es bis in die Spitze der politischen Institutionen geschafft. In einem guten Dutzend Staaten gibt es mittlerweile Initiativen der Parlamente oder Regierungen.

In Finnland beschloss das Parlament vor einem Jahr, sich international für die Abgabe einzusetzen. Und der Außenminister erklärte die Unterstützung der Regierung. Nach dem zustimmenden Votum beider Häuser des belgischen Parlaments steht die Steuer auf Betreiben der belgischen EU-Präsidentschaft nun beim nächsten Treffen der europäischen Wirtschafts- und Finanzministerien in Lüttich ab 21. September auf der Tagesordnung. Ob bei der Diskussion irgendetwas herauskommt, ist freilich völlig offen.

Die Idee der Tobinsteuer setzt an bei den knapp 1.000 Milliarden US-Dollar, die täglich aus rein spekulativen Gründen kurzfristig investiert werden. Dabei nutzen die Anleger aus, dass die Zinsen in einem Land zum Beispiel ein zehntel Prozent höher liegen als in einem anderen. Ziehen die Investoren kurzfristig große Summen dieser Spekulationsgelder aus einem Land ab, kann der Wert der Währung kollabieren, Firmen zusammenbrechen und Arbeitslosigkeit und Armut zunehmen.

Vermutlich würde die Tobin-Tax – benannt nach ihrem Erfinder, dem US-Ökonomen James Tobin – 0,1 oder 0,2 Prozent betragen und auf jeden Umtausch von einer Währung in eine andere erhoben. Verkauft ein US-Investor zum Beispiel Aktien bei der Deutschen Börse in Frankfurt, muss er die Abgabe entrichten, wenn er den Erlös von Mark in Dollar tauscht. Kurzfristige spekulative Geldbewegungen, so die Idee, würden zu einem guten Teil unrentabel, die Finanzmärkte etwas beruhigt.

Eine zentrale Frage ist nun: Wer macht mit? Wenn der erwähnte Investor seinen Aktiengewinn nicht umtauscht, sondern in Form von D-Mark in die USA transferiert und erst dort wechselt, kommt er vielleicht an der Steuer vorbei: dann nämlich, wenn die USA die Abgabe boykottieren. Ein Schlupfloch könnte das System vertragen, meint Peter Wahl vom entwicklungspolitischen Verband Weed. Aber Europa inklusive Großbritanniens und Japan müssten auf jeden Fall mitmachen. Verweigerte sich jedoch auch London, so Wahl, habe die Sache wenig Sinn, weil die Investoren durch zu viele Hintertüren verschwinden könnten.

Für die internationale Lobbyarbeit hofft der Verein Kairos nach Schröders Absage nun auf SPD-Finanzminister Hans Eichel. Dem wurde das Ansinnen angetragen, die Tobin-freundlichen Unterschriften offiziell entgegen zu nehmen. Eine Antwort steht noch aus. Aber, so sinniert Kairos-Mitarbeiterin Lioba Diez, „Herr Eichel müsste sich doch freuen. Wann fordern Bürger schon mal eine neue Steuer?“

HANNES KOCH

Unterschriftenlisten: www.attac-netzwerk.de/tobin

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