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Grüner Aufstand gegen Schily in Bayern und Berlin

Bayerische Grüne fordern Ablehnung des Schily-Entwurfs: „Zweiklassenrecht bei der Einwanderung“. Berliner Fraktion: „Ab in den Papierkorb“

BERLIN taz ■ Der Druck auf die Parteispitze der Grünen nimmt zu. Auch die bayerischen und die Berliner Grünen forderten gestern vehement, den Entwurf von Innenminister Otto Schily (SPD) für ein Einwanderungsgesetz abzulehnen. „Dieses Gesetz wollen wir nicht, so wie es jetzt ist“, sagte der bayerische Landeschef Jerzy Montag der taz. „Einer massiven Verschlechterung der Rechtslage für Schutzbedürftige und Verfolgte werden wir uns widersetzen.“ Wenn es nicht möglich sei, grüne Forderungen durchzusetzen, empfehlen die bayerischen Grünen, „den Gesetzentwurf nicht weiter zu verfolgen“.

Auch der Migrationsexperte der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Hartwig Berger, nannte Schilys Pläne „völlig unakzeptabel“. Der Gesetzentwurf des Innenministers bedeute „eine Verschlechterung für die meisten hier lebenden Migranten“. Deshalb gehöre der Schily-Entwurf in seiner jetzigen Form „nicht an den Kabinettstisch, sondern eher in den Papierkorb“, sagte Berger der taz. Schilys Konzept wäre „ein Gesetz der 60er-Jahre, mit dem sich jede Regierung blamieren würde“.

Die Berliner Grünen sorgen sich insbesondere um den künftigen Status von Flüchtlingen, die bisher mit einer Duldung in Deutschland leben. „Berlin ist schon jetzt die Hauptstadt der Sans-papiers“, sagte Berger. Die von Schily geplante Abschaffung der Duldung ohne Rechtssicherheit für die Betroffenen würde „scharenweise Menschen in die Illegalität treiben“. Auch die Regelungen beim Familiennachzug lehnen die Berliner Grünen ab, weil sie „Immigranten erster und zweiter Klasse“ schaffen würden. Berger drängt seine Parteifreunde, deutlicher als bisher Widerspruch gegen Schilys Pläne einzulegen: „Die grünen Bundespolitiker müssen dafür sorgen, dass Schilys Entwurf von Grund auf überarbeitet wird.“

Den bisher vorgesehenen Terminplan für die Verabschiedung des Einwanderungsgesetzes halten die Grünen in Bayern und Berlin für viel zu hektisch. Schily hatte am Mittwoch erneut erklären lassen, er wolle einen Kabinettsbeschluss der Bundesregierung schon am 26. September. Für den Chef der bayerischen Grünen ist es „absolut unverständlich, wie sich der Bundesinnenminister in dieser Frage so stur stellen kann“. Montag sieht darin eine Kriegserklärung an die Grünen: „Der Zeitplan ist desaströs und darauf angelegt, keine Einigung herbeizuführen.“

Einen Beschluss des Bundeskabinetts dürfe es erst dann geben, wenn der Gesetzentwurf innerhalb der Koalition diskutiert worden sei, forderte Montag. Die Grünen müssten sich gegen den Versuch Schilys wehren, „seinen Gesetzentwurf ohne jegliche Diskussion in der Koalition durchzupeitschen“. Montag verlangt intensive Gespräche: „Vertreter der SPD und unserer Partei müssen sich zusammensetzen und, wenn es sein muss, für einige Tage von morgens bis abends alle Punkte durcharbeiten.“

Die bayerischen Grünen haben das bereits getan. In einer zehnseitigen Stellungnahme bemängeln sie, dass Schily „ein Zweiklassenrecht bei der Einwanderung“ plane. Wenn es nicht möglich sei, das Schily-Konzept „entscheidend zu verbessern“, so Landeschef Montag, könne es in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden. „Dann bleibt es eine Zukunftsaufgabe.“ LUKAS WALLRAFF

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