: Frauenprotest gegen Rot-Grün
In einem Brief an Bundeskanzler Schröder klagen 100 Frauen Gleichstellungsgesetz ein
BERLIN taz ■ „Sehr hilfreich“ nannte gestern die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk, den Protestbrief von 100 Frauen an Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD).
Darin hatten sie endlich ein Gleichstellungsgesetz für Frauen gefordert und Schröder scharf kritisiert, weil er der Privatwirtschaft Frauenförderung nur unverbindlich „empfohlen“ hatte. Schewe-Gerigk sagte, es sei ein „Armutszeugnis“ der Koalitionsfraktionen, dass sie dem Alleingang des Kanzlers bisher nichts entgegengesetzt hätten. Zuvor hatte die frauenpolitische Sprecherin der SPD, Christel Humme, die Vereinbarung zwischen Industrie und Kanzler vom Juli „eine Chance“ genannt. Wenn diese aber nicht umgesetzt werde, so Humme, bestehe die Gefahr, dass „wir zwei weitere Jahre nur zugeschaut haben“.
Zu den 100 Erstunterzeichnerinnen des Briefes gehören die Bischöfin Maria Jepsen und die Soziologin Ute Gerhard. Sie kritisieren, dass die rot-grüne Bundesregierung ihre Wahlversprechen nicht eingelöst habe. Die Frauenförderung sei nun vom „Goodwill“ der Privatwirtschaft abhängig: „Die Durchsetzung eines demokratischen Grundrechts lässt sich nicht an einen Interessenverband delegieren.“
Die Frauen fordern mehr als „nur Peanuts“. Noch immer, so die Kritikerinnen, erhalten Frauen im Durchschnitt 25 Prozent weniger Gehalt und sind stärker von Arbeitslosigkeit betroffen. In Führungspositionen könne von Chancengleichheit keine Rede sein. Insgesamt seien zwölf Millionen Frauen in der Privatwirtschaft benachteiligt: „Das sind rund drei Viertel aller erwerbstätigen Frauen.“ Die Bundesrepublik sei ein „gleichstellungspolitisches Entwicklungsland“. Die Frauen verweisen auf Länder wie Österreich, die Schweiz und die USA, in denen staatliche Stellen und Kommissionen die Umsetzung von Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsgesetzen überwachen. Die Unterzeichnerinnen fordern auch für die Bundesrepublik ein „modernes und effektives“ Gesetz, das „klare Vorgaben zur Förderung der Chancengleichheit“ enthalten müsse. Über deren Einhaltung sollten Gleichstellungsbeauftragte wachen.
Außerdem müsse das Gesetz den Frauen mehr Rechte sichern, Schutz bieten und Sanktionen möglich machen. Die Vergabe öffentlicher Aufträge müsse an die Einhaltung des Gesetzes gebunden sein. HEIDE PLATEN
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