: „Das ist die Zukunft“
Das ehemalige Frauen-Fernsehen tm3 heißt jetzt 9live und lebt von Telefonanrufen – auf einer Pressekonferenz verriet Geschäftsführerin Christiane zu Salm auch schon, wo das alles mal enden soll
aus Schwabing TOBIAS MOORSTEDT
Mein Gott, dieses Lächeln. Es ist ein schönes Lächeln, und die junge Frau, der es gehört, weiß das, und knipst es an, wann immer es eben nötig ist. Da steht diese Frau also, eine riesige Leinwand in ihrem Rücken, und ihre Hände sind ausgebreitet. Und dann löst sich das Lächeln in den Worten auf: „Das ist die Zukunft des Fernsehens!“
Die Zukunft also. Ein großes Wort. Und der Beobachter ist etwas verwirrt, und weiß nicht genau, was die blonde Frau genau meint. „Ist das eine Moderatorin?“, fragt die Fotografin von dpa, nachdem sie einen ganzen Film in dieses Gesicht hineingeschossen hat. Um Gottes Willen, sagt man dann, nein, die Frau um das Lächeln herum heißt Christiane zu Salm und ist Geschäftsführerin und Anteilseignerin des TV-Senders tm3. Tm3, das ab diesem Wochenende nicht mehr so heißen will, sondern 9live.
Christiane zu Salm hat diesen Posten erst im April dieses Jahres angetreten. Davor hatte sie den Musiksender MTV Deutschland gerettet, als eigentlich schon gar nichts mehr zu retten war, heißt die Legende. „Ich habe eine Ruine vorgefunden, als ich angefangen habe“, sagt zu Salm jetzt über tm3: Von „informationsorientierter Frauensender“ stand einst was in der Lizenz (im Programm sah man da wenig von), unter neuer Leitung sollte tm3 dann dank Champions League ein Sportkanal werden, doch der Ball rollt längst wieder bei RTL. Zurück blieben tm3 und der Misserfolg. Am Ende – das war im April – schauten im Durchschnitt nur noch 74.000 Menschen zu.
„Mit einem Vollprogramm wird tm3 nie profitabel werden.“ Deshalb gibt es jetzt „transaktionsfinanziertes Unterhaltungsfernsehen“, und das sieht so aus: Ein paar JungmoderatorInnen labern sich den Ast, stellen schwachsinnige Fragen und warten auf jemanden, der anruft und einen geringen Geldbetrag gewinnen will.
9live wird sich nicht mehr allein durch Werbespots finanzieren, sondern vor allem durch Telefongebühren. 93 Pfennig kostet ein Anruf. In der Nacht freilich, wenn es richtig interessant wird und nackte Frauen ihre Genitalien an Eisenstangen reiben, wird es etwas teurer.
„Für werbefinanziertes Privatfernsehen braucht man einen Marktanteil von 5 Prozent, um ohne Verlust arbeiten zu können“, doziert zu Salm. „Wir brauchen nur noch 0,5 Prozent.“ Zurzeit schauen im Durchschnitt 33.000 Menschen tm3, auf dem schon viel von 9live läuft, und zu Salm ist eigentlich ganz zufrieden.
Denn sie verfolgt ein großes Ziel: 9live soll die Grenze zwischen Sender und Besendetem aufheben, „intermediale Kommunikation“ schaffen. Und wenn man zu Salm fragt, was stundenlanges In-der-Warteschleife-Hängen eigentlich mit Kommunikation zu tun habe, dann stutzt sie kurz, weil jemand die Zukunft so gar nicht versteht. „Ist doch besser, als wenn die Zuschauer überhaupt nicht kommunizieren.“ Ihren Kritikern, die darauf hinweisen, dass ihr Konzept nicht nur quotentechnisch eine Reduzierung der Ansprüche sei, nimmt die geborene Verkäuferin den Wind fröhlich entwaffnend aus den Segeln: „Wir machen doch gar kein Fernsehen mehr.“ Sagt sie. Und lächelt.
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