: Wie rechtsradikal sind manche Fans der Onkelz?
Die scheinbare Kompromisslosigkeit der Band, ihr Narzissmus und ihr Größenwahn üben eine starke Faszination auf bestimmte Menschen aus
BERLIN taz ■ Sind die Böhsen Onkelz eine rechtsradikale Band? Das ist die allgemein verbreitete Meinung über das Quartett aus Frankfurt, das, von seinen Anfängen im Punk der Achtzigerjahre über den Umweg als Stimmungskapelle der Skinheadszene, in den Neunzigern zu einer der erfolgreichsten deutschen Rockbands, sicher aber zur umstrittensten aufgestiegen ist. Und es ist eine Ansicht, die zu äußern jedem freisteht – das bekamen die dagegen klagenden Onkelz und die beklagte taz in diesem Sommer vor Gericht bestätigt.
Bis heute wird das Internetforum der taz mit wütenden Mails überschwemmt. Das Vokabular bestätigt eher den Verdacht gegen die Band, als ihn zu zerstreuen. Und es wirft die Frage auf: Wie rechtsradikal sind eigentlich die Fans der Böhsen Onkelz?
Der Journalist und taz-Autor Klaus Farin hat sich schon früh mit dieser Frage beschäftigt. Er schätzt den Anteil aktiver Skinheads an den Fans der Böhsen Onkelz allerdings auf gerade mal 2 Prozent – und noch nicht einmal die dürften alle als rechtsextrem einzustufen sein. In seinem „Buch der Erinnerungen“ (Hrsg.: Archiv der Jugendkulturen, 2000) hat er persönliche Auskünfte von Fans zusammengestellt, die allesamt eine starke Identifikation mit ihren Idolen kennzeichnet. Und diese Identifikation ist in der Tat ziemlich einzigartig in der deutschen Musikszene.
Durchblättert man die typischen Fanbiografien, dann ergibt sich ein sehr differenziertes Bild: Offenbar rekrutiert sich die Hörerschaft der Böhsen Onkelz aus allen proletarischen Jugendkulturen – vor allem aus Heavy-Metal-Fans, denen von AC/DC bis Slayer alles gefällt, was härter zur Sache geht, aus Hooligans und tätowierten Motorradrockern, aus arbeitslosen Prolls, Skinheads und Punks. Die Böhsen Onkelz haben manchen linken Fan, der sonst zu Tonträgern der Toten Hosen greift. Sie haben sich aber sicher auch manchen rechten Fan erhalten, der neben den Onkelz-Platten auch indizierten Müll von Neonazibands wie Störkraft sammelt. Unter Nazis gelten die Musiker allerdings spätestens seit 1993 als Verräter, weil sie sich, nach den Anschlägen von Rostock und Mölln, an „Rock gegen Rechts“-Konzerten beteiligten und in ihren Songs den rechten Mob schon mal als „braune Scheiße“ beschimpften.
Ob man diese Absage an die rechte Szene nun für glaubwürdig hält oder nicht – für das kommerzielle Überleben der Band war sie unumgänglich. Würden die Böhsen Onkelz heute noch „Türken raus!“ skandieren, hätten sie es nie aus dem Dunstkreis bierseliger Skinkreise an die Spitze der Charts geschafft. Denn erst als sich die Böhsen Onkelz Ende der 80er in Interviews – aber auch, mit länger gewachsenen Haaren und in Rockerkluft, von ihrem äußeren Erscheinungsbild her – von der Skinheadszene zu distanzieren begannen, die in dieser Zeit zunehmend nach rechts driftete, kam der kommerzielle Erfolg: Seit nunmehr zwölf Jahren wurde jede ihrer Veröffentlichungen zum Kassenschlager.
Der diskrete Ruch des Verbotenen, der ihren Platten seit der Indizierung ihres Frühwerks von 1985, „Der nette Mann“, anhaftete, dürfte allerdings durchaus eine Rolle gespielt haben, das Renommee der Band zu steigern.
Für viele Fans ist die Vergangenheit der Band aber nicht wichtig – entscheidend ist, dass sie sich allen Widerständen zum Trotz nicht hat unterkriegen lassen. Und dass sich die Band, ganz ohne Videos auf MTV, trotz Radioboykott und fehlender Werbung regelmäßig an die Spitze der Charts setzt, ist in der Tat bemerkenswert.
Die scheinbare Kompromisslosigkeit der Böhsen Onkelz, ihr Narzissmus und ihr Größenwahn üben eine starke Faszination auf jene aus, denen die Selbstbehauptung im Alltag nicht so leicht fällt. Ihre Musik ist nicht so angepasst und unbeschwert fröhlich wie der Spaß-Punk der Toten Hosen oder der Ärzte, sondern so düster und abgründig wie das Lebensgefühl vieler ihrer Fans, die sich am Rande der Gesellschaft wähnen. Die Böhsen Onkelz bieten Trost im Frust und wissen ihre Unterschichtserfahrung glaubwürdig einzusetzen: Sie haben das, was man im HipHop „Street Credibility“ nennt.
Wenn manche Fans mit Wut, Drohungen und Verschwörungstheorien auf den Gerichtserfolg der taz reagieren, dann zeigt das nur, wie weit autoritäres Denken und Gewaltfantasien in der Gefolgschaft der Band verbreitet sind. Dass sich das bei anderen Fankulturen, gerade in der Welt des Heavy Metal, anders verhält, darf bezweifelt werden: Das Wort „Fan“ kommt nicht von ungefähr von „fanatisch“. DANIEL BAX
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