: „Wir schaffen das, bitte“
SPD eröffnet heiße Wahlkampfphase mit heftigen Angriffen auf Schill ■ Von Peter Ahrens
Im Moment klappt aber auch gar nichts so richtig. Just als SPD-Landeschef Olaf Scholz das Fest der Hamburger Sozialdemokratie auf dem Altonaer Platz der Republik eröffnen will, öffnet der Himmel seine Schleusen, und all die treuen SozialdemokratInnen stehen zum Auftakt der heißen SPD-Wahlkampfphase erst einmal im Regen. Was natürlich allüberall als schwer symbolisch interpretiert wird, angesichts der verhagelten Umfragewerte für den regierenden Senat. Bürgermeister Ortwin Runde ruft trotzdem ein fröhlich gemeintes „Lasst euch nicht verdrießen“ in selbige.
Tatsächlich hat man am Sonnabend vielleicht zum ersten Mal den Eindruck: Die SPD hat den Ernst der Lage erkannt und fängt an, um die Macht zu kämpfen. Die nach außen zur Schau getragene Selbstzufriedenheit der ganzen vergangenen Monate ist dem rauen Wahlkampfton, der Attacke gewichen. Die Sozis krempeln drei Wochen vor der Wahl die Ärmel hoch.
Und man weiß rund um Scholz, Runde, Wagner und Co, wo der für sie wahrhaft gefährliche Gegner sitzt. Ole von Beust spielt kaum eine Rolle, findet nur in Nebensätzen Erwähnung, Schill dagegen ist allgegenwärtig. Die Jusos verteilen Bastelbögen, in denen man eine Schill-Karikatur zum Hampelmann („Bastelbogen: Der starke Mann für zu Hause“) zusammenbauen kann. SPD-Werkskabarettist Hans Scheibner als Sprecher der Künstlerinitiative contra Schill bezeichnet ihn als „verkappten Neonazi“, für Olaf Scholz ist er „der Unverantwortliche, der Maßlose“, Unterhalter Ron Williams, der am Sonnabend durchs Programm führte, diagnostiziert „die sehr gefährliche Viruskrankheit Schillitis“.
Der Bürgermeister will da nicht zurückstehen. Schill stehe für „ein Klima der Einschüchterung und der Feindbilder“, er predige „den Aufhetzwettbewerb“, repräsentiere „die Demagogen und Rambos“. Runde glaubt nicht, dass er selbst Fehler gemacht haben könnte. Stattdessen schreibt er die Anti-Stimmung gegen den regierenden Senat den Medien zu: „Dreieinhalb Jahre haben wir eine gute Presse gehabt, es wurde sehr ordentlich berichtet, und jetzt wird alles zerredet, das ärgert mich.“ Inhalte und Konzepte fänden keinen Eingang mehr in die Berichterstattung, Rundes Lösung des Problems: „Dann müssen wir halt selber reden und schreiben.“
Dass das nicht unbedingt die Stärke des hanseatischen Regierungschefs ist, ließ anschließend Wahlhelfer und Bundesfinanzmi-nister Hans Eichel durchblicken: „Ortwin Runde ist sicher kein En-tertainer, aber am 23. September wird ja auch kein Entertainer gewählt, sondern der Erste Bürgermeister von Hamburg.“ Eichel weiß, wovon er spricht, wenn er so etwas sagt. Rückendeckung holte sich Runde auch noch von Kiels Ministerpräsidentin Heide Simonis: „Nie war die Kooperation zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg so gut wie unter diesem Senat.“
So etwas ist Balsam für die arg geschundene Seele jeder Hamburger SozialdemokratIn, und so klatschen sich die mehreren hundert BesucherInnen bei den politischen Attacken rote Flecken in die Hände, bevor sie bei den St.Pauli-Profis André Trulsen und Zlatko Basic auf die Torwand schießen. Eichel sagt: „Wir sind stolz darauf, dass es Hamburg gibt.“ Durchatmen, endlich wieder auf etwas stolz sein können. Es ist der Nachmittag, sich untereinander auf die Schultern zu klopfen und sich gegenseitig zu versichern: Wir schaffen es doch wieder. Und wenn man sich nur darüber aufbaut, dass man möglichst heftig auf den politischen Gegner einhaut.
Ron Williams verkündet von der Bühne derweil, wie richtig der neue Kurs vom neuen Innensenator ist und dass es ja auch viele Ausländer gebe, die Probleme bereiten: „Ich als Amerikaner darf das sagen.“ Und wer trotzdem noch Zweifel hat, dass Law-and-Order Sozi-Sache ist, bekommt von Williams die Losung mit: „Es ist halt so: Wer sich bei uns nicht benehmen kann, muss die Konsequenzen ziehen.“ Viel Applaus.
Und dann interviewt er noch mal den Bürgermeister und sagt zum Schluss: „Herr Runde, wir schaffen das, bitte.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen