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Mieter, aufgepasst!

Verbände warnen vor Wohnungsvermittlung „Mieterdatei24“. Betroffene Firma sieht sich als Opfer

„Das sind große Lobbyisten. Der Mieterverein ist eine reine Betrugsgeschichte.“

FREIBURG taz ■ Wohnungen zu Tiefstpreisen, bei denen sich viele verwundert die Augen reiben, suggeriert seit drei Jahren die „Mieterdatei24“ für 90 Mark Vorauskasse. Ein Urteil des Landgerichtes Hannover hat nun dem dortigen Mieterverein erlaubt, die Tochterfirma der Daten-Information-Marketing (DIM) mit Sitz in Hamburg als „unseriös“ und deren Werbung als „Lockvogelangebote“ zu bezeichnen. Denn nicht einmal die Firma selbst kann sagen, wer durch ihre Vermittlung eine Wohnung bekommen hat. Die Mietervereine behaupten, niemanden zu kennen, der Erfolg hatte.

Allem Gegenwind zum Trotz expandiert die „Mieterdatei“ eifrig weiter und hat im August ihren jüngsten Außenposten in Freiburg eröffnet. Wie überall liegen auch hier die scheinbar vorhandenen Wohnungen nur in den Toplagen sowie – natürlich inklusive aller Nebenkosten und provisionsfrei – um bis zu 50 Prozent unter dem Marktniveau. Der offizielle Haken ist klein: Gegen schlappe 90 Mark einmalige Vorkasse wird man bis zu vier Monate in die Datei aufgenommen. Dann, so verspricht die Firma, „geht alles fast von selbst“: Der Wohnungswunsch werde an Vermieter mit passendem Angebot weitergeleitet, die wiederum ihrerseits die potenziellen Mieter kontaktieren. So entgeht die DIM einerseits dem Vorwurf der Maklertätigkeit, die keine Vorauszahlungen erlaubt, andererseits entzieht sie sich geschickt der Verantwortung für den Vermittlungserfolg.

Die Kontaktleute vor Ort sucht man freilich vergebens: Der Freiburger Bürodienstleister „office & phone“ gibt lediglich Anmeldeformulare aus und leitet sie weiter. Den Rest erledigt die Zentrale in Hamburg. Oder auch nicht: In vielen Städten melden sich Kunden, die überhaupt keine Angebote erhalten haben. Selbstversuche in Freiburg, Hamburg und Köln führten zu keinem einzigen Angebot. Das Geschäft lohnt sich trotzdem, so Angelika Brautmeier, Geschäftsführerin des Stuttgarter Mietervereins: Sie schätzt die Einnahmen auf 1,5 Millionen Mark jährlich.

DIM-Geschäftsführer Stephan Heise sieht sich hingegen als Opfer eines Komplotts: Die Mieterverbände würden von den ortsansässigen Maklern vorgeschickt: „Das sind große Lobbyisten. Der Mieterverein ist eine reine Betrugsgeschichte.“ Inzwischen sind jedoch selbst die Anzeigenabteilungen von fünf großen deutschen Regionalzeitungen vorsichtig geworden: Seit Januar erscheint dort keine DIM-Werbung mehr.

Woher genau die angebotenen Wohnungen stammen sollen, bleibt Heises Geheimnis. Man kooperiere mit „Hausverwaltungen und Wohnungsbaugesellschaften“, heißt es nur. Man habe große Kontingente erworben, daher sei man so günstig. Jedoch gaben die Gesellschaften und Verbände in Hamburg und anderen Städten an, niemals von einer DIM oder Mieterdatei kontaktiert worden zu sein. Auch im jüngsten Aktionsgebiet, Freiburg, kam die Recherche unter den 15 größten Anbietern zum selben Ergebnis. Auch die Niederlage vor dem Landgericht Hannover ist darauf gegründet, dass es der Firma an nachweisbaren Partnern mangelt, so die Hamburger DIM-Anwälte Heuser und Schefflern: „Das Gericht forderte eine Liste, die wir nicht bringen konnten.“

RENÉ ZIPPERLEIN

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