: Gysi poliert den „Regenbogen“
Der PDS-Star greift für die linke Abspaltung der Grünen in den Hamburger Wahlkampf ein. Gleichzeitig testet er seine Chancen im westdeutschen Großstadtmilieu aus
HAMBURG taz ■ 1.500 Menschen am regnerischen Nachmittag unter freiem Himmel in der City, noch mal 1.000 am Abend in einer überfüllten Aula auf St. Pauli – Gregor Gysi hat sich am vergangenen Freitag publikumswirksam in den Hamburger Wahlkampf eingeschaltet. Nicht für seine Partei, die PDS, sondern für den „Regenbogen“, der sich nach dem Kosovokrieg von den Grünen abgespaltet hatte. Norbert Hackbusch, einer der fünf „Regenbogen“-Abgeordneten in der Hamburger Bürgerschaft, strahlt und freut sich über den ungewohnte Zulauf für die bunten Linksaußen, die selten mehr als 100 Wahlberechtigte auf ihren Veranstaltungen sehen.
Gysis Auftritt ist Balsam für die Linken, die zwischen den politischen Blöcken der Elbmetropole zerrieben werden. Seit Wochen betont vor allem die grüne Spitzenkandidatin Krista Sager: Wer „Regenbogen“ wähle, um die Grünen für ihren realpolitische Regierungskurs zu strafen, der mache den rechtspopulistischen Schill erst möglich. Tatsächlich liegen Umfragen zufolge Rot-Grün und der rechte „Bürgerblock“ aus CDU, FDP und Schill-Partei derzeit mit jeweils 48 Prozent gleichauf.
Nun gibt Gysi die neue Richtung in der heißen Diskussion vor, die Hamburgs linkes, alternatives und intellektuelles Milieu umtreibt: Wählen heiße, „für etwas zu stimmen, nicht gegen jemanden“, das „taktische“ Votum für Grün, um Schill zu verhindern, sei „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“. Warum wohl, fragt er rhetorisch, „drohen die Grünen euch mit diesem bösen Richter und bieten sich als kleineres Übel an? Weil sie selbst sehr devot davon ausgehen, dass sie nicht gut sind.“ Nach dieser „Logik der konzeptionellen Schwäche“ dürfe „nie eine linke politische Kraft bei Wahlen antreten“. Also, so Gysis umjubelte Schlussfolgerung, „lasst euch nicht ins rot-grüne Bockshorn jagen und gebt bei der Wahl die linke Antwort.“ Je nach Umfrage dümpelt der „Regenbogen“ bei 2 bis 3,5 Prozent, und das bedeute, so Gysis ebenso wagemutige wie beklatschte Interpretation, „dass wir kurz vor fünf Prozent liegen“. Denn kleine Parteien, das wisse er aus langer bundespolitischer Erfahrung, kämen bei den Demoskopen „immer schlecht weg“.
Gysi wäre nicht der Fuchs, der er ist, würde er mit seinem Auftritt im Hamburger Wahlkampf nicht auch eigene Ziele verfolge. Für ihn ist Hamburg ein Probelauf für künftige Wahlen in den alten Bundesländern. „In Stadtstaaten wie Hamburg oder Bremen“, räumt er ein, „sind unsere Chancen sicher am höchsten.“ Die völlig zerstrittene Hamburger PDS allerdings werde dominiert „von rückwärtsgewandten Dogmatikern“, mit denen „der Bundesvorstand und ich seit längerem Zoff haben“. Mehrere Vertreter des Reformflügels der PDS kandidieren deshalb für den „Regenbogen“, und deshalb setze auch er sich ein „für die einzige linke Option in dieser Stadt“.
Gysis Hamburger Engagement gegen die PDS und für den „Regenbogen“ ist ohne Risiko. Schafft der „Regenbogen“ den Sprung ins Landesparlament, hätte auch er gewonnen, bei einem Scheitern würde nur der „Regenbogen“ verloren haben. Aber „selbstverständlich“ geht Gysi von einem „Signal auch für Berlin aus“. In der Hauptstadt allerdings muss die PDS sich um das Überspringen der 20-Prozent-Marke sorgen, für den „Regenbogen“ in der Hansestadt „ein Luxusproblem“, wie Hackbusch einräumt. Viel wichtiger sei „die Aufbruchstimmung“, für die der PDS-Mann gesorgt habe: „Gysi hat uns wieder Hoffnung gegeben.“ SVEN-MICHAEL VEIT
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