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flugaffäre scharpingEine Beleidigung fürs Volk

Er habe sich strikt an die Vorschriften gehalten, betont Verteidigungsminister Rudolf Scharping. Das scheint er für eine hinreichende Entlastung zu halten. Es wäre fatal, wenn er damit Recht behielte. Um ihrer Selbstachtung willen sollten Vertreter aller Parteien das verhindern.

Angeklagte dürfen nur verurteilt werden, wenn ihnen ein Gesetzesverstoß nachgewiesen werden kann. Aber ein Rücktritt ist keine Haftstrafe, und Politiker sind keine Angeklagten. Sie sind gewählt worden, um öffentliche Interessen zu vertreten. Das ist eine Ehre. Lacht da jemand? Umso schlimmer. Wenn diese Selbstverständlichkeit müden Spott hervorruft, dann braucht man sich über eine so niedrige Beteiligung an Wahlen wie jetzt in Niedersachsen nicht zu wundern. Die Demokratie ist bedroht, wenn die Regierten die Regierenden erst einmal verachten.

Kommentarvon BETTINA GAUS

Die Regeln des Zusammenlebens werden nicht nur von Vorschriften bestimmt. Es ist einem Gast nicht verboten, alle Filetstückchen abzulecken, damit den anderen am Tisch der Appetit vergeht. Aber es gehört sich nicht. Früher war Konsens, dass Volksvertreter in besonderem Maße zu tadelsfreiem Verhalten verpflichtet sind. 1969 geriet der geachtete Parlamentspräsident Eugen Gerstenmaier in die Kritik. Er hatte an einem Gesetz mitgearbeitet, das ihn selbst begünstigte, und musste zurücktreten, obwohl er gegen keine Vorschrift verstoßen hatte. Es genügte, dass er ins Zwielicht geraten war.

Nun eignet sich der Vorwurf missbräuchlicher Nutzung der Flugbereitschaft besonders gut, um auch ungerechtfertigte Ressentiments gegen Privilegien zu bedienen. Rita Süssmuth und Hans Eichel sind in der taz vor entsprechenden Anschuldigungen in Schutz genommen worden – aber ihre Fälle waren anders gelagert als der von Scharping. Bei beiden ging es vor allem um die Einschätzung der Bedeutung einiger ihrer Termine. Die zu beurteilen steht aber weder Verwaltungsbeamten noch Medien zu. Demokratisch gewählte Politiker müssen hier selbst entscheiden dürfen.

Das bedeutet jedoch keinen Freibrief, die Öffentlichkeit für dumm zu verkaufen. Liebe sucht Nähe – unabhängig von beruflichen Terminen. Die Steuerzahler müssen aber keine Sehnsüchte erfüllen. Wenn Scharping glauben machen will, sein sprunghaft gestiegenes Interesse am Wahlkreis habe nichts mit dem Wohnort seiner neuen Freundin zu tun, dann beleidigt er die Intelligenz der Bevölkerung. Das ist schlechtes Benehmen. Deshalb muss er zurücktreten.

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