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Tausend Herzen tief

Auch Dr. Motte musste irgendetwas machen und Zeichen setzen: Ein rührendes Happening auf dem Alexanderplatz

Es ist gar nicht so leicht, das Happening zu finden. Nur ein winziges Grüppchen Leute ist es zunächst, das bei leichtem Nieselregen eine kleine Traube auf dem Alexanderplatz bildet. Dr. Motte, Mitinhaber der Love Parade, der Jahr für Jahr im Juli an der Siegessäule seinen Jüngern und Ravern erzählt, wie schön die Welt ist, („Friede, Freude, Eierkuchen“, „We are one world“) hatte per Email aufgerufen: „Lasst uns alle zusammen ein Zeichen des Friedens, des Mitgefühls, der Toleranz und des Respekts aus Berlin in die Welt senden und für eine friedliche Welt zusammenkommen. Wir treffen uns heute für eine Stunde auf dem Alexanderplatz bei den Basketballfeldern und machen eine Lichterkette des Friedens. Das ist der Weg, den wir in Liebe gehen wollen. Bitte weitersagen.“

Weiter stand da noch von „den Verirrten dieser Tage“ zu lesen und: „Das Herz aller Religionen ist gleich! Lieben wir unseren Nächsten wie uns selbst!“ Und außerdem: „Das Verurteilen bringt keine Veränderung, nur eine Verhärtung der Situationen.“

Was soll man dazu sagen? Lächerlich? Nein. Dr. Motte ist rührend, wie er da mit dickrandiger und schlecht sitzendem Camouflage-Parka rumsteht. Aus Teelichtern will er das Wort „Frieden“ setzen, auf ein mal einen halben Meter. Die dreißig Leute um ihn herum, darunter eine Handvoll in Streetware, massig Piercings und mit bunten Haaren, sind aber eher für „Peace“. „Warum ‚Frieden‘? Es ist doch in Amerika passiert!“ Motte lässt abstimmen und macht „Peace“ aus „Frieden“. Später erzählt er, dass er es zu Hause nicht aushält, einfach was machen musste, was bewegen, ein Zeichen setzen, auch wenn es klein ist.

Jürgen Laarmann, einst Gründer des legendären Technomagazins Frontpage, das vor Jahren Bankrott ging, Mitte-Papst und rasender Kolumnist in Sachen „funkifreshes, neues Berlin“, tut, als sei er auf dem Sprung und ganz und rein zufällig hier. Er müsse schnell wohin, CDs kaufen im Saturn zum Beispiel oder Fotos abholen. Für eine Fernsehkamera bleibt er dann doch stehen und erzählt, das sei für ihn ein Schock unter vielen gewesen: „Es ist schon gut, dass sich die Leute treffen und miteinander reden. Die Welt aber wird ein Stück unfreier werden.“

Während hinten ein etwas verwahrlost wirkender Alex Hacke von den Einstürzenden Neubauten vor sich hin schimpft, weil er seine Kerze nicht angezündet bekommt, fragt ein Passant den Kameramann, was man tun kann, wenn man den Freund in Manhattan nicht erreiche?

Ein anderer Passant bietet ihm eine Handynummer von einem eigenen Freund in Manhattan an. „Die funktioniert“, sagt er. Daneben steht einer, der eine Amerika-Flagge in der Blazertasche auf der Brust trägt wie Fred Astaire sein Taschentuch im Sakko. SUSANNE MESSMER

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