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China freut sich im Stillen

Peking bietet den USA Beistand an. Dahinter steckt die Erwartung, dass Bush China jetzt als Freund braucht statt als Gegner

aus Peking GEORG BLUME

Ginge es allein nach Staatspräsident Jiang Zemin, stände China heute geschlossen hinter den USA. In einem Telefongespräch mit Präsident George W. Bush sagte Jiang, sein Land sei „bereit, den Dialog und die Kooperation mit den USA und der internationalen Gemeinschaft beim Kampf gegen alle Arten von terroristischer Gewalt zu verstärken“. Offenbar erkennt Jiang die Chance, die seit der Amtsübernahme von Bush und dem Zusammenstoß eines chinesischen und eines US-amerikanischen Militärflugzeuges im April gespannten Beziehungen beider Länder zu verbessern.

„Der Terrorakt in Amerika kann zur Entspannung der chinesich-amerikanischen Großmachtrivalität führen“, analysiert Yan Xuetong, Direktor des Instituts für Strategische Studien der Xinghua-Universität in Peking. „Die Amerikaner werden jetzt erkennen, dass die wirkliche Bedrohung nicht von Raketen, sondern vom Terrorismus herrührt und damit den Schwerpunkt ihrer Sicherheitsstrategie von Ostasien auf Nahost verschieben.“ Zudem verweist Yan auf die Vorbildfunktion der so genannten Schanghai-Gruppe, in der sich China mit Russland und vier zentralasiatischen Ländern zum Kampf gegen den radikalen Islamismus verbündet hat. „Hier kann Amerika von China lernen“, glaubt Yan.

Doch es kann auch ganz anders kommen. Jiang Zemin gilt in China als Amerikaliebhaber. Viele in Regierung und Partei denken bezüglich den USA anders als er. Erklärungen des chinesischen Außenministers Wang Guangxa, denen zufolge Peking die Nato als ungeeignete Organisation für eine militärische Antwort auf die Anschläge betrachtet, deuten auf das weiterhin bestehende Konfliktpotenzial zwischen China und den USA. Falls Washington den UN-Sicherheitsrat, in dem China ein Veto-berechtigtes ständiges Mitglied ist, bei militärischen Entscheidungen übergeht, hätte Peking Grund zum Protest.

Zumal Peking Versprechen gibt, die es kaum wird halten können. „Im Kampf gegen terroristische Gewalt steht das chinesischen Volk zum amerikanischen Volk“, schrieb der chinesischen Außenminister Tang Jiaxuan an seinen US-Amtskollegen Colin Powell. So einfach ist das nicht: Die wenigsten Chinesen haben jetzt über Nacht ihre Liebe zu Amerika entdeckt. Zwar berichten die staatlich kontrollierten Medien bislang in artiger Solidarität mit den Opfern der Angriffe, zu denen vermutlich auch mehrere Chinesen zählen. Insgesamt 14 chinesische Firmen unterhielten im zerstörten World Trade Center Büros. Indessen ist die private Reaktion vieler Chinesen gespalten.

Dass sich die mächtigen USA als verwundbar erwiesen haben, kann sie so sehr nicht stören. Nicht das Gefühl von Schadenfreude kommt dabei auf, wohl aber erhofft man sich, dass die Politik der USA einen Dämpfer bekommen hat. Völlig unrealistisch erscheinen zugleich die Vorstellungen vieler Chinesen über den Fortgang der Ereignisse: Nur wenige sehen bereits die Unausweichlichkeit US-amerikanischer Militäraktionen.

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