: „Angriff auf Bündnispartner“
SPD-Außenpolitiker Gernot Erler wirbt um Zustimmung zu möglicher Militäraktion
taz: Herr Erler, braucht der Bundestag jetzt einen Vorratsbeschluss, um mögliche Nato-Militäraktionen abzudecken?
Gernot Erler: Für die Feststellung des Bündnisfalls durch die Nato braucht die Bundesregierung keine Zustimmung. Die Frage taucht erst dann auf, wenn die Bundesregierung aus dem breiten Spektrum der Maßnahmen eine Auswahl getroffen hat.
Also beim Einsatz bewaffneter Verbände?
Erst wenn die USA Kräfte anfordern würden, die auch im Ausland eingesetzt werden sollten, wäre ein Beschluss des Bundestages notwendig.
Der Kanzler hat festgestellt, dass es nicht nur um eine formale Erfüllung der Bündnisverpflichtung geht. Muss man daraus schließen, dass sich die Bundesrepublik militärisch engagieren wird?
Dieser Satz muss vor dem Hintergrund des Nato-Vertrages interpretiert werden. Er enthält an sich keine inhaltliche Bestimmung, wie der Beitrag im einzelnen auszusehen hat. Denkbar wäre auch eine bloß verbale Unterstützung. Der Kanzler hat mit seiner Bemerkung klargestellt, dass der Beitrag nicht ein bloß symbolischer ist, sondern sich an den Bedürfnissen der USA orientieren wird.
Die PDS hat für den Fall einer Bundestagsentscheidung ihre Ablehnung signalisiert. Sie meint, der Nato-Bündnisfall sei erst durch den Angriff eines Staates gerechtfertigt.
Ich kann die juristische Interpretation der PDS schwer nachvollziehen. Der Nato-Rat hat auf seinem Gipfel 1999 ausdrücklich auf die neuen Bedrohungen, etwa durch internationalen Terrorismus, hingewiesen. Der entscheidende Punkt in der Debatte ist: Kann sich die Nato dem Ersuchen eine Mitglieds verweigern, wenn dieses feststellt, dass es angegriffen worden ist?
Vor kaum zwei Wochen haben 19 SPD-Abgeordnete im Bundestag gegen den Nato-Einsatz in Mazedonien gestimmt. Wird demnächst die Regierung wieder auf die Hilfe der Oppositiion angewiesen sein?
Unsere Fraktion trifft sich am Freitag. Darüber zu spekulieren, halte ich für verfrüht.
Trotzdem lässt sich die Mazedonienentscheidung nicht ausblenden.
Natürlich nicht. Aber aus meiner Sicht gibt es einen fundamentalen Unterschied zum Mazedonieneinsatz. Die Bundesrepublik ist gerade in den Zeiten des Kalten Krieges Nutznießer des Nato-Schutzes gewesen. Hier geht es jetzt um einen Angriff auf einen Bündnispartner, zumal den wichtigsten.
INTERVIEW: SEVERIN WEILAND
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