: „Die Palästinenser werden nicht dagegen sein“
Der Abgeordnete der israelischen Arbeitspartei, Chaim Ramon, will für den Bau eines Zauns zwischen Israel und Palästina kämpfen
taz: Sie planen die Gründung einer neuen Bewegung, die die einseitige Trennung zwischen Israel und Palästina propagiert. Wie soll das funktionieren?
Chaim Ramon: Wir haben versucht, mit den Palästinensern gemeinsam über eine Grenze zu entscheiden. Das hat leider nicht geklappt. Deshalb werden wir allein eine Grenze ziehen, die nicht endgültig ist, sondern erst einmal eine Trennlinie zwischen uns und den Palästinensern. Alles, was sich innerhalb der Grenze befindet, wird unter völliger Souveränität Israels stehen, alles auf der anderen Seite – abgesehen von bestimmten Übergängen – wird unter palästinensischer Kontrolle sein. Die Trennung wird einhergehen mit dem Abzug aus einem Großteil der Gebiete, die heute besetzt sind – rund 80 bis 85 Prozent des Landes –, und wir werden zusätzlich einen großen Teil der Siedlungen, die sich hier befinden, auflösen.
Besteht unter den Gründungsmitgliedern Konsens über die Auflösung von Siedlungen?
Es gibt Leute unter den moderaten Rechten, die einsehen, dass es keinen anderen Weg gibt. Es gibt Auseinandersetzungen über das taktische Vorgehen, aber es ist klar, dass das die Tendenz ist.
Die Grenze ist mehrere hundert Kilometer lang. Haben Sie die Kosten für die Errichtung einer Trennlinie errechnet?
Die Grenze ist noch länger. Wenn man die Absicherung aller Siedlungen dazurechnet, ist die Grenze tausende Kilometer lang. Letztlich wird eine Grenze Gelder einsparen, die heute in die Absicherung und in die in den Gebieten stationierten Soldaten investiert werden müssen.
Wie hat man sich die Grenze praktisch vorzustellen?
So wie früher die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland. Ein Zaun, der klar macht, wo die Grenze ist. Bis hierher wir, dahinter ihr und umgekehrt. Ein Zaun, der bewacht wird. Der Verkehr von einer Seite zur anderen wird geregelt mit entsprechenden Papieren stattfinden.
Wozu eine separate Bewegung? Genügt es nicht, die Idee in Ihrer Partei zu propagieren?
Dieser Prozess genießt große Unterstützung in der Öffentlichkeit von Mitgliedern aller Parteien. Wir wollen eine Bewegung, die überparteilich ist, mit der wir Druck auf die Regierung ausüben können.
Was sagen Ihre palästinensischen Freunde zu Ihrem Plan?
Sie wissen noch nicht, was sie davon halten sollen, und sie verstehen nicht genau, wovon die Rede ist. Ich vermute, dass sie sich letztlich nicht dagegen stellen werden. Israel verzichtet hier – ohne jeden Vertrag und ohne jede Verpflichtung von palästinensischer Seite – auf 80 bis 85 Prozent des Gebietes, evakuiert Siedlungen, verkleinert das besetzte Gebiet auf dramatische Weise, ermöglicht den Palästinensern ein zusammenhängendes Staatsgebiet. Es ist völlig klar, dass die Palästinenser das der derzeitigen Situation, die sich ständig verschlechtert, vorziehen müssen. Die Autonomie hat praktisch aufgehört zu existieren. Allein der Gasa-Streifen ist von der israelischen Armee in drei Teile geteilt.
Die Palästinenser fürchten, nach der einseitigen Teilung völlig eingesperrt zu sein.
Tatsache ist, dass sie heute eingesperrt sind. Aber wir reden nicht von einem geschlossenen Gebiet. Es wird Übergänge geben, die allerdings einer Sicherheitskontrolle unterstehen, sowohl zwischen Israel und den Palästinensern als auch zwischen den Palästinensern und Jordanien oder Ägypten.
Ist die palästinensische Abhängigkeit von Israel in Bezug auf Arbeit, Wasser, Strom und sogar Nahrungsmittel kein Problem?
Wasser und Strom sind kein Problem. Natürlich werden wir die Versorgung fortsetzen. Auch die Infrastruktur ist kein Problem. Wir werden dem in Zukunft genauso Sorge tragen wie wir es bisher getan haben. Der einzige Unterschied ist, dass es eine Grenze geben wird.
Die Abhängigkeit vom israelischen Arbeitsmarkt ist tatsächlich problematisch. Aber auch heute kommen keine palästinensischen Arbeiter. Eine Grenze könnte nur förderlich sein. Wenn auf der anderen Seite Ruhe ist, können die Arbeiter über die Grenzübergänge einreisen, genau so, wie sie aus dem Gasa-Streifen einreisen, wo es bereits eine Grenze gibt.
Wo genau soll die Grenze verlaufen?
Im Gasa-Streifen wird es die Grenze von 1967 sein. In Judäa und Samaria wird es vermutlich Gebiete geben, die innerhalb des Zaunes liegen, wie der Gush Etzion (zwischen Jerusalem und Hebron), der Großraum Jerusalem und Ariel.
Jossi Beilin fürchtet, dass eine Grenze, die nicht beide Seiten festlegen, immer wieder Grund für Konflikte bieten wird.
Ich glaube natürlich auch, dass eine Grenze, über die sich beide Seiten einig sind, besser wäre. Aber was ist die Alternative? Die aktuelle Situation – das ist die Alternative. Wenn wir uns einigen könnten, wäre alles okay. Beilin glaubt, wir können das. Ich glaube nicht, dass wir in naher Zukunft zu einer Einigung kommen werden.
Was halten Sie von der Regierungsentscheidung, eine Sperrzone zu errichten?
Wenn es keinen Zaun gibt, muss man eine mehrere Kilometer tiefe Sicherheitszone errichten. Gibt es einen Zaun, braucht man das nicht – siehe Beispiel Gaza. Der Wunsch, einen Zaun zu verhindern, ist ideologisch begründet und führt zu Entscheidungen, die weitere schlimme Folgen für die Palästinenser verursachen.
INTERVIEW: SUSANNE KNAUL
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