: Satter Aufschrei der Herren Verleger
Beim Zeitungskongress geht es mehr um das Urheberrecht als um die Trägheit einer ganzen Branche
BERLIN taz ■ Wenn eine Branche wie die der Zeitungsverleger aufschreit, geschieht das gediegen: Im gedeckten Anzug traf man sich bei gedämpftem Licht im Konferenzzentrum des Intercontinental zum Kongress des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverlger (BDZV) – und um gegen das geplante neue Urhebergesetz Front zu machen.
Beim Aufschrei ist der BDZV nicht allein, die Zeitschriftenverleger, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der Gesamtverband Werbeagenturen stimmen mit ein. Und sogar der sonst nicht weiter wahrgenommene Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter darf mitmachen bei der großen Kampagne „Kulturwirtschaft für ein anderes Urhebervertragsgesetz“. Für eben die hat BDZV-Präsident Helmut Heinen auch sein leicht verfremdetes Konterfei zur Verfügung gestellt, das derzeit als Anzeige durch viele Blätter geistert.
„Viele freie Mitarbeiter verlieren ihren Job. Was soll daran sozial sein?“, fragt dort der Werbe-Heinen in schönster Verlegerlogik. Denn das neue Gesetz will festschreiben, dass künftig kreative Leistungen von Journalisten, Fotografen und anderen Freiberuflern „angemessen“ bezahlt werden. Was „angemessen“ ist, sollen die jeweiligen Verbände und Gewerkschaften in „allgemeinen Vergütungsregelungen“ aushandeln, im Konflikfall sind Schiedsverfahren vorgesehen. Sollte sich ein Verlag der „angemessenen“ Entlohnung des Urhebers verweigern, kann dieser vor Gericht ziehen.
Gerade bei freien Journalisten und Fotografen an Tageszeitungen, so Martin Vogel, Richter am Europäischen Patentamt und einer der Väter des neuen Gesetzes (siehe taz vom 31. 5.), sei die Bezahlung häufig „unausgewogen“ – sprich: zu gering. Da diese aber abhängig von ihren Abnehmern – den Verlegern – sind, konnten sie sich bisher kaum wehren.
Das neue Urhebervertragsrecht ist also ein Gesetz für die Schlechterverdienenden; in schönster Deutlichkeit, wenn auch indirekt, bestätigt dies auch Heinen selbst: Das Gesetzesvorhaben drohe nicht nur eine „Kostenlawine“ in der „gesamten Medienwirtschaft“ auszulösen. Sollte der gesetzliche Anspruch auf „angemessene Vergütung“ eingeführt werden, würden sich die Verlage in Zukunft genau überlegen, ob sie Beiträge von freien Mitarbeitern übernehmen können. Daraus folge schlussendlich eine massive „Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Medien und der Kulturszene in ganz Deutschland.“
Gerichtet waren die markigen Worte an eine ganz besondere Urheberin, die dem Kongress die Ehre gab: Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) vertrat den eigentlich vorgesehen Innenminister als Begrüßerin im Namen der Bundesregierung. Und blieb trotz angedrohten Kulturverfalls bei dieser Rolle. Wer von den versammelten Verlegern (eigentlich unnötig zu sagen: die meisten Damen beim Kongress gehörten zur Gattung Gattin) auf konkrete Ausführunge der zuständigen Ressortministerin hoffte, hätte gleich zum Pausenkaffee übergehen können. Die Verleger sollten die „Stimme des Urhebers nicht ganz außen vor lassen“, so Däubler-Gmelin, der Wunsch nach angemessener Honorierung sei „unbilliges Verlangen“ der freien MitarbeiterInnen. Doch auch wenn die Ministerin plötzliches noch „einiges zur Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung“ nachschob – zu der von Holtzbrinck-Geschäftsführer Michael Grabner beim Kampagnen-Pressetermin beschworenen zusätzlichen „wirtschaftlichen Belastung der ohnehin arg belasteten Branche“ durch das neue Urhebergesetz sagte sie – nichts.
Zu Recht. Zwar müssen viele regionale Zeitungsverlage in diesen Monaten tatsächlich einen empfindlichen Rückgang im Anzeigengeschäft verkraften – um 7,5 Prozent sank im ersten Halbjahr 2001 nach BDZV-Angaben der Durchschnitt im Westen, um sogar fast 17 Prozent in den neuen Ländern. Von einer siechen Branche zu sprechen, ist aber falsch: Im vergangenen Jahr haben Deutschlands Tageszeitungen laut BDZV-Erhebung zusammen erstmals über 20 Milliarden Mark Umsatz gemacht. Doch über Gewinne (und Verluste) schweigen sich die meisten Unternehmen – allen voran die notorisch auskunftsunfreudigen Regionalverlage – aus.
Am zweiten Kongresstag suchte dann Marco E. de Stoppani, der Verlagsdirektor der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), Einsparpotenziale auch nicht bei freien Mitarbeitern oder anderen Redaktionsbereichen, sondern mehr Fantasie auf der Verlagsseite. Er fordert den „Verbund gleich gesinnter Verlagshäuser, die im vollen publizistischen Wettbewerb untereinander stehen“ und nichtjournalistische Dienstleistungen (Druck, Vertrieb, Materialeinkauf) gemeinsam abwickeln. „Ich weiß, solche Gedanken sind für meine deutschen Kollegen nicht sehr willkommen“, sagte de Stoppani – und verwies süffisant auf eine Expertenrunde zur Zukunft der Schweizer Medien, die vor allem die Trägheit der Branche als Problem ausgemacht hatte.
STEFFEN GRIMBERG
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