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Eine Ente ist eine Ente

Weil im Internet jeder alles behaupten kann, hat sich eine Falschmeldung über die Bilder von „jubelnden Palästinensern“ in Windeseile verbreitet

von DANIEL FERSCH

Dass Manipulation und Fälschungen seit jeher zu den Begleiterscheinungen des Journalismus gehören, ruft bei den meisten nur noch ein müdes Lächeln hervor. Vom „stern tv“-Reporter Michael Born, der Filmbeiträge fälschte, bis zum „Borderline-Journalimus“ des SZ-Magazins sind Leser und Zuschauer Kummer gewöhnt. Durch die fortschreitende Medienkonzentration steigen deswegen auch die Befürchtungen, mächtige Medienkonzerne könnten ihren Einfluss und die Macht der Bilder nutzen, um die öffentliche Meinung zu manipulieren. So schien es ein gefundenes Fressen für Medienkritiker zu sein, als in Folge der Terroranschläge in den Vereinigten Staaten Gerüchte über einen möglichen „Fall Born“ bei CNN in Umlauf kamen.

Zwei Tage nach den Anschlägen hatte ein brasilianischer Student in einer E-Mail verbreitet, er habe Beweise, wonach die Bilder von jubelnden und feiernden Palästinensern in Ost-Jerusalem, die auf CNN am 11. September nach den Terroranschlägen in den USA gezeigt wurden, gefälscht seien. In Wahrheit stammten die Aufnahmen aus dem Jahr 1991 und zeigten die Freudenfeiern von palästinensischen Jugendlichen nach der irakischen Invasion in Kuwait. Eine Universitätsdozentin hätte vor Studenten behauptet, sie sei im Besitz dieser zehn Jahre alten Videoaufnahmen, habe sie mit den Beiträgen auf CNN verglichen und festgestellt, dass sie identisch wären („the very same images“). CNN wolle damit wohl die Stimmung gegen die Palästinenser anheizen.

Obwohl am darauffolgenden Freitag, den 14. September postwendend ein Dementi desselben Autors folgte, hatte die Meldung bereits weltweit über Newsforen und Mailinglisten die Runde gemacht und in vielen Redaktionen für Aufsehen gesorgt. In seinem Widerruf entschuldigte sich der Autor deshalb auch für seinen Fehler und versicherte, die Information über die Fälschung der Fernsehbeiträge sei „nur eine Vermutung“ gewesen, beweisen könne die Dozentin ihren Verdacht nicht.

Agenturen beteuern den Wahrheitsgehalt

Besorgt um ihren Ruf hatten sich darauf auch CNN und Reuters TV, die Urheber der fraglichen Aufnahmen, beeilt, den „grundlosen und lächerlichen Vorwurf“ zu entkräften, und bestätigt, dass die Bilder tatsächlich am 11. September in Ost-Jerusalem entstanden seien.

Vor allem unabhängige Medienplattformen wie Indymediea (www.indymedia.org) und der Politiknewsletter Counter Punch (www.counterpunch.com), zu dessen Autoren der angesehene Linguist und Medientheoretiker Noam Chomsky gehört, hatten die Meldung zuerst ohne Überprüfung veröffentlicht. Indymedia (kurz für „Independent Media Center“) wurde letztes Jahr als Netzwerk gegründet, um unabhängig von den Medienkonzernen über die Tagung der Welthandelsorganisation (WTO) in Seattle zu berichten. Motto der Plattform ist es, „radikal, genau und engagiert die Wahrheit“ zu verbreiten. Durch Mitarbeit von Aktivisten und ständige Aktualisierung im Internet etablierte sich Indymedia tatsächlich bald als verlässliche und schnelle Informationsquelle abseits des Mainstream. Inzwischen gibt es weltweit Ableger des Netzwerkes.

Doch die Meldung über die angeblich gefälschten Palästinenserfeiern zeigt nun erstmals die Grenzen von Plattformen wie Indymedia auf. Dadurch, dass jeder in den E-Mail-Foren Meldungen, ob wahr oder unwahr, verbreiten kann, wie es ihm beliebt, könnte die gewonnene Glaubwürdigkeit bald verloren gehen. Zumindest der Autor der „CNN-Falschmeldung“ hat aus dem Vorfall bereits eine grundlegende Lehre gezogen: „Wenn alternative Medien glaubhaft sein wollen, müssen wir unsere Quellen überprüfen“, schreibt er in seinem Dementi an Indymedia.

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