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Aus Trümmern Nutzen ziehen

Die CDU schürt Angst im Abgeordnetenhaus: „Berlin ist Kristallisationspunkt fundamentalistischer und islamistischer Elemente“, meint Steffel. Das Unvorstellbare von New York und Washington muss für alte und neue Forderungen herhalten

von ROBIN ALEXANDER

Neun Tage nach den Tod und Furcht bringenden Terroranschlägen in den USA tritt Frank Steffel ans Rednerpult des Berliner Abgeordnetenhauses. Um von dieser Stelle aus über das zu sprechen, wofür Worte zu finden, jedem fühlenden Menschen schwer fallen muss, hat der CDU-Kandidat für den Posten des Stadtoberhauptes einiges in Bewegung gesetzt. Schon als der Präsident des Abgeordnetenhauses und der Regierende Bürgermeister zwei Tage nach dem Anschlag an eben diesem Ort der Trauer der Berliner Ausdruck zu geben versuchten, hatten die CDU-Mitgleider im Ältestenrat eine Tagesordnung durchzusetzen versucht, nach der auch Steffel reden konnte. Vergeblich. Statt dessen hat die CDU-Fraktion diese Sitzung erzwungen. Was also hat Steffel zu sagen?

Trauernd beginnt er: Sein dunkler Anzug, seine dunkle Stimme, seine dunkle Sprache („Tränen der Fassungslosigkeit, der Wut und der Trauer“) erzeugen gerade vor dem Hintergrund der mittlerweise zehntägigen Präsenz der Horrorbilder auf Bildschirmen und Hirnlappen ein Gefühl der Ohnmacht bei den Zuschauern. Zur Ohnmacht lässt Steffel die Angst treten. Der wahnsinnige Feind ist nicht nur in Kabul, nicht nur in den Fernsehnachrichten, nein, der Feind ist hier: „Berlin ist wie keine andere Stadt Deutschlands geradezu ein Kristallisationspunkt fundamentalistischer und terroristischer Elemente.“ Angst macht diese Rede, und das ist beabsichtigt. Diese Angst ist verwertbar: Sie dient zur Begründung alter und neuer konservativer Forderungen – vom so genannten finalen Rettungsschutz bis zur Einführung eines Wahlpflichtfaches „Religion oder Ethik“ in den Schulen.

Vor allem aber braucht Steffel die Angst, um überhaupt ins politische Geschäft zurückzukommen. Seine Vorschläge zur Sicherheitslage (siehe unten) sollen diskutiert werden. Und die SPD möge nun von PDS und Grünen ablassen und zur alten Zusammenarbeit mit der Union zurückkehren. „Sicherheitsbündnis“ nennt Steffel das: „Wir lieben die Freiheit und unsere wehrhafte Demokratie, deshalb bieten wir Ihnen unsere Zusammenarbeit an.“ Damit provoziert der Redner, der mit Trauermiene im kirchenstillen Abgeordnetenhaus begann, Lachen, Zwischenrufe und bissige Kommentare. Die Zeit der Andacht ist vorüber, jetzt wird wieder gestritten.

Klaus Wowereit, der Regierende Bürgermeister, tut dem Oppositionsführer allerdings nicht den Gefallen, sich mit seinen Vorschlägen überhaupt nur auseinander zu setzen. Zur Zeit kann die CDU noch mit ihrer Sperrminderheit Parlamentsdebatten erzwingen. Inhaltlich stark genug, ihre linken Gegner in die Auseinandersetzung zu zwingen, ist sie nicht mehr. Auch Wowereit bemüht die schrecklichen Bilder, verweigert aber ihre Nutzung für den Abbau von Bürgerrechten: „Wenn wir zulassen, dass die Freiheit der Terrorbekämpfung geopfert wird, dann hätten wir verloren, und die Terroristen hätten gesiegt.“ Der Versuchung, den Horror für ein vergleichsweise läppisches politisches Ziel in Anspruch zu nehmen, kann auch Wowereit nicht widerstehen: Die Lufthansa möge doch die Einstellung ihres Direktflug von Berlin in die USA noch einmal überdenken im Lichte der nun notwendigen „Rückgewinnung von Normalität“.

Auch Sibyll Klotz, die wie wohl alle Grünen in diesen Tagen Zuflucht beim Völkerrecht sucht, schafft es, die veränderte Weltlage in Zusammenhang mit alten Forderungen zu bringen. Internationaler Terrorismus in neuer Dimension? Der Verfassungsschutz muss aufhören „Zeitungsartikel über die Kommunistische Plattform in der PDS zu sammeln“ und sich anderen Aufgaben widmen. Klotz nahm ebenso wie der Redner der PDS, Harald Wolf, Bezug auf einen Bericht der taz, dass das Landeskriminalamt von der Technischen Universität die Daten aller arabischen Studenten haben will: „Ein derartiger Pauschalverdacht wird von uns abgelehnt.“ (Wolf)

Es ist der Fraktionschef der PDS, der die Furcht vieler Menschen artikulierte, „dass ein Vergeltungsschlag zu neuem menschlichem Leid, einer unkontrollierbaren Entwicklung und zu einer friedensbedrohenden Eskalation führen kann“. Wolf bemühte Bundespräsident Johannes Rau und den früheren amerikanischen Präsidenten Benjamin Franklin – beide nicht gerade Klassiker im sozialistischen Sinne –, um vor einer Einschränkung der Bürgerrechte in Deutschland und einem Krieg zu warnen. Wolfs Schlussfolgerung: „Beides, Freiheit und Frieden, darf nicht gefährdet werden!“

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