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Ranklotzen wie die Profis

■ Veranstaltungstechniker machen Blitze, Rauch und Explosionen. Projekt Act zeigt, wie

Die Bewohner der Bayreuther Straße sind wahrscheinlich ziemlich genervt. In Nummer 14 geht es nämlich zu wie im Ameisenhaufen. Es wird gebaut und renoviert, technisches Equipment im Wert von rund 68.000 Mark hineingetragen. Mysteriös, mysteriös. Das Treiben hat jedoch spätestens am 1. Oktober ein Ende. Dann muss alles fertig sein. Dann fangen 20 junge Menschen hier an zu arbeiten. Sie werden insgesamt zehn Monate lang Berufe rund um die Bühne kennen lernen, vom Maskenbildner zum Tontechniker, vom Tänzer, Schauspieler zum Veranstaltungsmanager. Das Projekt nennt sich Act , ist eine Berufsorientierungsmaßnahme und wurde ins Leben gerufen vom Verein Quartier e.V.

Die Strippenzieher heißen Jürgen Müller-Ohtzen und Marcel Pouplier. „Wir haben uns das Projekt vor etwa zweieinhalb Jahren ausgedacht“, erzählt Müller-Ohtzen. „Bei unseren bisherigen Theaterprojekten haben wir immer wieder Menschen getroffen, die gerne in diesem Bereich bleiben wollten, aber nicht genau wussten, was dahinter steckt.“ Solchen Leuten sollte die Möglichkeit gegeben werden, die oft harte Berufsrealität kennen zu lernen, dachten sich die beiden Projekt-Väter. Die meisten würden, zum Beispiel am Beruf des Schauspielers nur das Schöne, das Event sehen, so Müller-Ohtzen. „Dabei muss man den ganzen Tag nur proben und abends vielleicht etwas ganz anderes aufführen, was gerade auf dem Spielplan steht.“

In den zehn Monaten im Act -Projekt arbeiten die TeilnehmerInnen unter Ernstbedingungen. Es gibt verschiedene Werkstätten, für Licht und Ton, Schauspiel, Bühnenbild, Maske und sogar Marketing. Geleitet werden die Kleingruppen von erfahrenen Teamern, die meist selbst im entsprechenden Beruf arbeiten, so wie Müller-Ohtzen. Dieser hat selbst eine Schauspielausbildung hinter sich und in Bremen unter anderem als Schauspiellehrer am Waldau-Theater einen Namen.

Renate Heitmann und Uschi Leinhäuser von der Bremer Shakespeare Company übernehmen die Werkstätten für Veranstaltungsmarketing und Kostüm. Für die Maskenbildner ist Rosi Algra zuständig, die neben dem Goethe-Theater auch schon für die Berliner Volksbühne sowie Film und Fernsehen gearbeitet hat. Anfangen wird sie mit etwas Theorie über den Beruf und seine Geschichte, dann beginnt die praktische Arbeit: Masken bauen, Menschen schminken.

Von den Schauspielern, Tänzern, Bühnenbildnern bis hin zu den Werbefachleuten müssen alle eng zusammenarbeiten, schließlich sollen sie mindestens zwei Theaterproduktionen auf den Weg bringen. „Das erste Thema werden wir vorschlagen“, so Müller-Ohtzen. „Dann entwickeln wir gemeinsam die Dramaturgie. Die Marketing-Leute berechnen das Budget, legen Fristen fest, organisieren die Werbung.“

Zusätzlich sollen die TeilnehmerInnen fünfwöchige Praktika machen. Um Weichen zu stellen, wie Marcel Pouplier unterstreicht: „Bei Veranstaltungstechnikern ist klar, dass in Bremen niemand eine Ausbildungsstelle in einer Institution bekommt, wenn er dort kein Praktikum gemacht hat. Wir haben darüber schon mit dem Goethe-Theater gesprochen, ebenso mit dem Lagerhaus und dem Kito.“

Quartier e.V. hat „Act“ nicht ganz alleine auf die Beine gestellt. Kooperationspartner sind die Volkshochschule, die Senatoren für Kultur und Arbeit sowie das Arbeitsamt, das die Maßnahme unterstützt. Wird das Vorhaben ein Erfolg, können sich die Bewohner der Bayreuther Straße freuen: Dann gibt es mindestens eine Theaterproduktion pro Jahr vor der Haustür.

Susanne Polig

Einzelne Plätze sind noch frei! Informationen gibt 's bei Quartier e.V. unter 52 51 607

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