: Friedensprozess in Gefahr
Die slawisch-mazedonischen Parteien versuchen Verfassungsänderunen zugunsten der Albaner zu blockieren. Parallel dazu verläuft die dritte Phase der Waffenübergabe an die Nato nach Plan
von ERICH RATHFELDER
Der Fahrplan für den Friedensprozess in Mazedonien gerät weiter in Verzug. Dennoch wollen manche Diplomaten der internationalen Gemeinschaft noch nicht von einem Scheitern sprechen. Die Zeichen mehren sich jedoch, dass nicht nur der Fahrplan, sondern das gesamte Projekt der Verfassungsänderungen durcheinander gerät. Und damit wird die Strategie der internationalen Gemeinschaft und vor allem der Nato, so schnell wie möglich ihre Truppen wieder abzuziehen, in Frage gestellt. Der Friedensprozess mit dem Ziel, das Land zusammenzuhalten und gleichzeitig der albanischen Bevölkerung mehr Rechte einzuräumen, gestaltet sich immer schwieriger.
Mit ihrer Entscheidung in der Nacht zum Freitag lehnte die Mehrheit der Abgeordneten einen Verfassungszusatz ab, der allen Bürgern die gleichen Rechte einräumen sollte. Überdies soll zwischen Mehrheitsbevölkerung und Minderheiten auch weiter unterschieden werden. Auch wenn der parlamentarische Prozess über die konkreten Verfassungsänderungen noch nicht abgeschlossen ist und das Parlament erst in der zweiten Lesung steckt, ist doch der Eindruck entstanden, dass ein großer Teil der slawisch-mazedonischen Parlamentarier bei den Abstimmungen mit „Nein“ votieren wird.
Die Ursachen für die negative Entwicklung in Mazedonien sind tief im Selbstverständnis und der Ideologie der slawisch-mazedonischen Mehrheitsbevölkerung verankert. Sie erkennt Mazedonien nicht, wie fälschlich noch vor Monaten im Westen dargestellt, als einen multikulturellen Staat an, sondern als Nationalstaat der Mazedonier, in dem die Minderheiten zwar über Rechte verfügen, aber im Grunde nur geduldet werden. In der Geschichtsauffassung der slawischen Mazedonier sind die Albaner erst seit rund 300 Jahren in das Siedlungsgebiet der Mazedonier eingesickert.
Dass in Wirklichkeit die Albaner neben den Griechen das älteste Volk auf dem Balkan sind und schon vor der Einwanderung der Slawen im sechsten Jahrhundert in dem fraglichen Raum lebten, wird geleugnet. Ins Bild passt, dass die politisch einflussreiche orthodoxe Kirche nicht dazu bereit ist, andere Religionsgemeinschaften als gleichberechtigt anzuerkennen. Sie fühlt sich als Zentrum des nationalen Bewusstseins und ist bestrebt, als Nationalkirche zu fungieren.
Um das Friedensabkommen durchzusetzen, wird zumindest der Zeitplan geändert werden müssen, befürchten diplomatische Quellen in Skopje. Zwar könne von außen mit Krediten und einer Verlängerung des Mandats der Nato-Truppen eingewirkt werden, allein damit sei jedoch der Bewusstseinswandel bei den slawischen Mazedoniern nicht durchzusetzen. Die Medien seien weiter Propagandainstrumente, eine offene gesellschaftliche Debatte nicht in Sicht. Unter diesen Umständen, so Mitarbeiter der OSZE, sei eher zu befürchten, dass die mazedonischen Paramilitärs um ihre Position kämpfen werden – sogar mit ähnlichen Mitteln wie die UÇK.
Ob die albanischen Rebellen dem parlamentarischen Spiel noch lange zusehen werden, ist ebenfalls fraglich geworden. Noch geht die Nato-Aktion weiter. Erst gestern wurden wieder Waffen von Kämpfern der UÇK in Radusa der Nato übergeben. „Es wird keine Fortsetzung des Kampfes geben“, erklärte der Kommandeur der UÇK, Gezim Ostreni. Bei einem Scheitern des parlamentarischen Prozesses jedoch werden sich die Albaner überlegen, wie sie Druck machen können. Und die weitere Abgabe von Waffen zu verweigern wäre der einfachste Weg.
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