Terror beeinflusst die Meinungsumfragen

Die Bundesparteizentralen üben sich mit ihren Prognosen zum Endspurt der Hamburg-Wahlen Zurückhaltung. CDU formiert sich zum Angriff gegen SPD und PDS in Berlin, die FDP kämpft mit Prominenten um fünf Prozent

BERLIN taz ■ Die Wirtschaft dümpelt, die Arbeitslosenzahlen sinken nicht wie gewünscht, der Verteidigungsminister ist umstritten – eigentlich waren die Voraussetzungen für die rechte Opposition mehr als gut, um die Wahl in Hamburg zur Testabstimmung über Bundeskanzler Schröders rot-grüne Regierungskoalition hochzustilisieren. Zumal Hamburgs Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) und seine grüne Koalitionspartnerin Krista Sager in Umfragen keine Mehrheit mehr haben. Zu erwarten war das Verfahren, wie es vor jeder Landtagswahl zur Gewohnheit geworden ist: Die Union entdeckt eine „Wechselstimmung“, die FDP sieht sich zur dritten Kraft reifen.

Doch diesmal ist alles anders. Nach dem Anschlag auf New York geben sich die Berliner Parteizentralen von Angela Merkel und Guido Westerwelle wortkarg. Besonders heftig die Reaktion in der Bundes-Zentrale der CDU auf die Anfrage der taz: „Ja, glauben Sie denn, dass im Moment irgendjemanden die Wahl in Hamburg interessiert?!“ Die FDP, die bei den jüngsten Wahlen stets eine riesige 18-Prozent-Kampagne aufgezogen hatte, ist ebenfalls zurückhaltend.

Doch das neue Schweigen hat nicht nur mit der Weltlage zu tun. Auch wenn derzeit in Hamburg den Umfragen zufolge ein Patt zwischen Rot-Grün und der Opposition herrscht, CDU und FDP sehen alles andere als gut aus. Ohne die prognostizierten 14 Prozent des Rechtspopulisten Ronald Barnabas Schill fänden sie niemals eine Mehrheit.

Und die FDP muss noch um ihren Einzug in die Bürgerschaft fürchten. Die Demoskopen sehen sie zwischen 5 und 7 Prozent. Zwar schickte die FDP ihre ganze Bundesprominenz – Guido Westerwelle, Wolfgang Gerhardt und auch Jürgen Möllemann – mehrfach nach Hamburg. Doch in Berlin spricht man lieber nicht so viel darüber: Der Kampf um die fünf Prozent passt nicht so recht in Westerwelles schicke 18-Prozent-Kampagne.

Auch für die CDU-Parteispitze ist Hamburg kein wirklich schönes Thema. In den Umfragen liegt die Union bei um die 27 Prozent – vor vier Jahren waren es fast 31. Spitzenkandidat Ole von Beust hat ohnehin nicht die besten Beziehungen zur Parteizentrale, seit er sich als einer der ersten offen gegen Helmut Kohl stellte. Auch gelang es dem eher liberalen Konservativen nicht, den Rechtspopulisten Schill zu verhindern.

Dabei ist normalerweise die CDU auf das Thema innere Sicherheit gebucht. So fiel auf, dass nur wenig Bundespolitiker den Weg zum Unionswahlkampf nach Hamburg fanden. Es liegt eben nicht nur am Terror in Amerika, dass die Union sich bundespolitisch zurückhält. Parteichefin Merkel kennt da wenig Skrupel. Sie nutzte selbst die Bundestagsdebatte um eine mögliche militärische Unterstützung für die USA für Seitenhiebe. Ihr Ziel war Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit, der sich in vier Wochen der Wahl stellen muss.

Der Kampf um die Mehrheit in Berlin passt eben besser ins politische Konzept: Mit der Verteufelung einer möglichen Koalition von SPD, Grünen und PDS will Merkel die Union als wahre Partei der Mitte positionieren. Auch wenn die Wahlsieger am Sonntag in Hamburg – wer immer sie sein werden – auch bundespolitische Gründe für einen Erfolg heranziehen werden.

Selten war ein Landtagswahlergebnis einerseits so wenig für Zukunftsprognosen geeignet. Zu sehr dominiert das Thema Terror alle anderen Themen. Dennoch hat Hamburgs Wahl andererseits doch auch bundespolitische Bedeutung – jenseits der Frage, ob es künftig für die Bundesregierung noch schwerer wird, sich mit Geldgeschenken eine Bundesratsmehrheit zusammenzukaufen. Und zwar für die Grünen: Erstmals stehen in Hamburg die Realos in Form des grünen Landesverbandes GAL gegen eine Abspaltung grüner Fundis in Form der Gruppe „Regenbogen“ alternativ zur Wahl.

Der neuen Gruppierung geben die Meinungsforscher 1 bis 3 Prozent. Die Hamburger Grünen gehen davon aus, dass mindestens die Hälfte von deren möglichenWählern für sie ohnehin nicht mehr erreichbar war – bliebe ein Verlust von einem Prozent an die linke Konkurrenz. Das wäre ein passables Ergebnis, das den Regierungskurs der Grünen bestätigen würde.

Bleiben zudem die Grünen, die vor vier Jahren mit 13,9 Prozent ein sensationelles Ergebnis einfuhren, deutlich über zehn Prozent, hätten sie ihren anhaltenden Abwärtstrend endlich etwas gebremst – nachdem sie zuletzt in Baden-Württemberg noch mehr als die Hälfte der Stimmen verloren hatten.

MATTHIAS URBACH