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Verführerischer Verzicht

Furchtlosigkeit, Wunschgewährung und braune Hühnereier: „Die Rückkehr des Buddha“ im Alten Museum sowie Arbeiten der Gebrüder Qin Chong und Qin Feng im Lichthof des Auswärtigen Amtes

Gefunden wurden diese Buddhas erst 1996, bei Bauarbeiten für einen Sportplatz

von KATRIN BETTINA MÜLLER

Pausbäckig lächelt der Buddha im Eingang der Ausstellung „Die Rückkehr des Buddha“ den Besuchern des Alten Museums entgegen. Sie haben ihm und seinen über dreißig steinernen Verwandten viel Besuch abgestattet am Wochenende; fast schien es, als müsse man diesen erst vor kurzem geborgenen Kunstschätzen jetzt erst recht, nach der Zerstörung der großen Buddha-Statuen durch die Taliban, seinen Respekt erweisen.

Dankbar nehmen viele das Angebot einer Führung per Kopfhörer an, denn was weiß man schon über buddhistische Kunst des 6. Jahrhunderts. Diese Buddhas kommen aus der Provinz Shandong im Osten Chinas. Gefunden wurden sie erst vor wenigen Jahren, 1996, bei Bauarbeiten für einen Sportplatz. In einer zwei Meter tiefen, knapp 9 mal 7 Meter breiten Grube waren 320 Skulpturen und noch mehr Fragmente dicht zusammengepackt, als ob man sie begraben hätte.

Die differenzierte Gestaltung, die Pracht der Gewänder, die Zierlichkeit der Körper, Reste von Gold und farbiger Bemalung lieferten den Kunsthistorikern reiches Material, eine bisher nicht geahnte Blüte der Steinbildhauerkunst unter den Dynastien der Nördlichen und Östlichen Wei und der Nördlichen Qi zu belegen. Von ihrer hohen Zahl möchte man auf die Bedeutung des Buddhismus schließen, der erst zwei Jahrhunderte zuvor von Indien über Karawanenwege bis in die nördlichen Reiche gelangt war, die damals nicht unter chinesischer Herrschaft standen. Warum sie aber im 10. Jahrhundert unter die Erde gebracht wurden, ob Mönche sie vor einem bilderstürmenden Akt des Antibuddhismus retten wollten oder schlicht vor dem Verfall in verlassenen Klöstern bewahren, weiß man nicht.

So steht man ihrer Schönheit etwas fassungslos gegenüber. Noch nie sah man die Buddhas von so vielen himmlischen Wesen begleitet, die Harfe und Flöte spielen und sich in eleganten Linien mit der Luft und den Wolken verbinden. Die Gesten ihrer Hände, die für Furchtlosigkeit und Wunschgewährung stehen, wiederholen sich; aber ihr verführerisches Lächeln packt einen jedes Mal, als wäre man ganz persönlich gemeint. Manche der Gewänder sind im Kalkstein als hauchdünner, fast transparenter Schleier gestaltet, um ebenso wie die Goldbemalung die Schönheit des Körpers des Prinzen zu betonen, der durch den Weg des Verzichts zum Buddha wurde.

Einige der Skulpturen sind aus Bruchstücken wieder zusammengesetzt; bei anderen zeigt die rotgoldende Bemalung des Buddhagewandes Flickenmuster, Anzeichen des Ablegens des prinzlichen Lebens. Die Figuren vom Ende des 6. Jahrhunderts sind schmal und geradezu androgyn. Sie bezeugen zwischen indischer und ostasiatischer Kunst eine frühe Begegnung der Kulturen und Verbindung unterschiedlicher Einflüsse.

Die staatlichen Museen haben die Ausstellung fast wie ein Glückslos gezogen, als Höhepunkt des „China Festes“, auf dem China seine Kulturarbeiter vorausschickt, um für das Land und ökonomische Investitionen zu werben. 35 Veranstaltungen listet ein kleines Programmheft auf. Lampions mit Drachen und mechanischen Puppen, die im Takt eines Trommlers rudern, stehen Unter den Linden. Theater- und Tanzensembles sind gekommen, von denen die gastgebenden Häuser noch nie etwas gesehen haben. Feuerwerke und Buden mit Souvenirs auf dem Schlossplatz gehören dazu. Aber auch junge chinesische Künstler, die den Weg der Reisen zwischen Berlin und Peking schon vor ein paar Jahren auf eigene Faust angetreten haben.

Wie die beiden Brüder Qin Chong und Qin Feng, die skulpturale Landschaften aus Papier und Transformationen von Kalligrafie im Lichthof des Auswärtigen Amtes zeigen. In ihren Arbeiten spiegelt sich das Bemühen um eine Vermittlung zwischen chinesischer Tradition und westlicher Moderne manchmal gar etwas vordergründig. In den gestuften Wasserbecken des Lichthofes treiben weiße Reisschalen aus Porzellan. Das verblüfft ein wenig durch die Nähe zum Klischee. Für Qin Chong aber ist das unbedenklich. Das fließende Wasser des Brunnens mit dem harten Glanz des Porzellans zu verbinden, ist auch eine sehr knappe Geste, und auf Einfachheit kommt es ihm an. In seinen Zeichnungen aus Tusche und Baumwollpapier mischt sich ein schwarzes Quadrat und bringt ganze Serie von Ableitungen hervor, in denen die streng begrenzte Fläche und der freie Fluss der Tusche lernen müssen, miteinander auszukommen.

„Der Drache und der Millennium Bug“ nennt Qin Feng zwei lange Leporellos, in deren zeichnerischem Gestus unterschiedliche Geschwindigkeiten und Energien aufeinander treffen. Feingliedrige Zeichen laufen mit fetten Wischern um die Wette, und man weiß nicht, wer gewinnt.

Dass es ihm bei dem Versuch der Versöhnung von unterschiedlichen Prinzipien nicht nur um ein ästhetisches Mittel, sondern auch um ein symbolisches Modell geht, sieht man spätestens an der Installation mit dem programmatischen Titel „Frieden säen“: Unter den Büschen der Hofbegrünung hat Qin Feng braune Hühnereier verteilt.

Die Rückkehr des Buddha, Altes Museum, bis 18. 11., Di–So 11–18, Mi 10–22 Uhr. Qin Chong + Qin Feng, Lichthof des Auswärtigen Amtes, Werderscher Markt 1, bis 1. 10., tgl. 9–18 Uhr

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