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Karte mit High-Tech-Innenleben

Die Chipkarte für Studierende kommt! An Terminals können die eigenen Daten eingesehen und aktualisiert werden, etwa bei umzugsbedingter Adressänderung oder der semesterweisen Rückmeldung. Doch samt Finanzierung bleiben viele Fragen offen

Datenschutz-Beauftragte warnen vorm „gläsernen Studenten“

von ANSGAR WARNER

Im letzten Herbst wurde in Berlin-Adlershof bei strahlendem Sonnenschein eine Chipkarte für Studierende zu Grabe getragen. Doch war es, offen gesagt, gar keine Beerdigung, sondern ein Neuanfang, nämlich die Grundsteinlegung des neuen Wissenschaftszentrums. Die Chipkarte wurde nebst anderen zeitgenössischen Utensilien symbolisch für die Nachwelt konserviert, um das erste Jahr des neuen Jahrtausends als einen Meilenstein der Hochschulentwicklung zu kennzeichnen. Denn wenn es nach dem Willen von Finanzdienstleistern, IT-Firmen und Hochschulleitungen ginge, würden die Studierenden der Berliner Universitäten vielleicht schon 2002 ihre blauen Studentenausweise gegen eine funkelnagelneue Plastikkarte eintauschen.

Von außen sieht sie aus wie ein weiterer Plastikausweis fürs Portemonnaie, doch unter der Folie schlummert ein High-Tech-Innenleben. Funktionen von verschiedenen konventionellen Plastikkarten wie etwa der „Giro-Vend“-Karte für die Mensa, von Kopierkarten und möglicherweise auch Telefon- und Geldkarten (als Bargeldersatz) sollen auf einer Karte vereinigt werden.

Gleichzeitig würde die Karte zur Benutzung von Terminals dienen, an denen Studierende die über sie gespeicherten Daten einsehen und aktualisieren könnten, etwa bei umzugsbedingter Adressänderung, Fachwechsel oder der semesterweisen Rückmeldung.

Studierende der Technischen Universität werden wahrscheinlich die Ersten sein, die demnächst die neuen Chipkarten in den Händen halten. Ein kleiner Vorversuch hat bereits an der Technischen Fachhochschule (TFH) stattgefunden. Probleme mit dem Geldkarten-Chip und den Lesegeräten führten hier jedoch zum Scheitern des Projektes – die zwecks Rückmeldung aufgestellten Terminals auf dem FH-Campus hatten die Chipkarten einfach zum Fressen gern . . . Erfahrungen, die man jetzt beim neuen Anlaufs beherzigt. Der Geldkartenchip, wie er auch auf den EC-Karten der Sparkassen seit einiger Zeit flächendeckend eingeführt wird, findet nun an der TU keine Verwendung mehr.

Kernstück der neuen Chipkarten ist ein so genannter Kryptoprozessor, der eine Art digitale Unterschrift ermöglicht. Da die digitale Unterschrift vor kurzem vom Gesetzgeber als rechtswirksam anerkannt worden ist, stehen dieser neuen Kartengeneration eine Vielzahl von Anwendungen offen. Genau das macht sie auch für die Elektronikbranche wie für Finanzdienstleister interessant. Man baut darauf, dass in Zukunft sehr viele Zahl- und Verwaltungsvorgänge mit Hilfe der neuen Kartentechnik abgewickelt werden können.

Der Branchenriese Motorola hat bereits mit der BVG ein 2,5 Millionen Mark teures Pilotprojekt namens „tick.et“ durchgeführt. Die bei „tick.et“ benutzte Smardcard versah ihren Dienst berührungslos – im Vorbeigehen wurden die Kartenbesitzer an U- und S-Bahneingängen erfasst und von ihren Accounts die Fahrtkosten abgebucht. Motorola ist gleichzeitig der wichtigste Partner der Berliner Universitäten bei der Einführung der Chipkarte auf dem Campus – und die Fusion von High-Tech-Semesterticket und elektronischem Studentenausweis in den Firmenetagen auch schon beschlossene Sache. Auf ihrer Internet-Homepage verkündet Motorola stolz: „An dem Test des CampusCard-Systems sollen rund 160.000 Studierende teilnehmen.“ Doch der Anfang wird nicht billig. Ziehen Freie und die Humboldt-Universität im kommenden Jahr tatsächlich mit, ergibt sich nach Aussagen des Chipkarten-Beauftragten der FU, Wolfgang Röcke, ein Investitionsbedarf von etwa 10 Millionen Mark pro Hochschule. An der Technischen Universität ist die Chipkarteneinführung seit Jahren Chefsache und Vorzeigeobjekt des Präsidenten – und zudem forschen die TU-Informatiker kräftig mit. Dagegen sind FU- und HU noch unentschieden, was die Karten leisten sollen und welchen Preis man selbst zu zahlen bereit ist. Aber auch in Mitte und in Dahlem ist alles nur noch eine Frage der Zeit – die Chipkarten sind nämlich nur das letzte Tüpfelchen auf der laufenden Verwaltungsreform. Im Rahmen dieser Reform sollen – so sieht es zumindest Motorola vor – auch etwa 22.000 Mitarbeiter der Berliner Universitäten Chipkarten erhalten, die den Zugang zu Verwaltungsdaten, aber auch die elektronische Signatur von Dokumenten ermöglichen. Ziel dabei ist, in Zukunft mit weniger Personal auszukommen, denn die finanzielle Maläse des Landes Berlin wird die Unihaushalte auch weiterhin kräftig schröpfen. Ob die Studierenden von der Karte Vorteile haben werden, ist eher zweifelhaft.

Die Terminals hatten die Chipkarten einfach zum Fressen gern

Und dies nicht nur, weil die neue Technik – wie der Berliner Datenschutzbeauftragte warnt – den „gläsernen Studenten“ schafft. Viele Bereiche – etwa die Zahlung an den Mensakassen oder die Rückmeldung durch Beitragsüberweisung – sind bereits jetzt optimal organisiert, wie Wolfgang Röcke zugeben muss. Zudem ist bereits der papierne Studentenausweis maschinenlesbar – etwa an den Ausleihtheken der Bibliotheken. Ein weiterer Vorteil des alten Ausweises: Man kann ihn am Ende des Semesters wegwerfen und bekommt einen neuen. Was so banal klingt, ist es aber gar nicht. Denn die neuen Ausweise sollen etwa vier Jahre gültig sein. Ob man sich tatsächlich zurückgemeldet hat, verrät natürlich ihre Oberfläche allein nicht – sodass im Zweifelsfall auch der längst Exmatrikulierte noch viele Kinofilme, Schwimmbadbesuche und S-Bahnfahrten vor sich hat.

Um dieses Problem zu umgehen, müsste man entweder weiterhin Papierausweise ausgeben oder aber spezielle Klebemarken für jedes neue Semester. Beides würde natürlich die neue Karte finanziell ad absurdum führen. Ungeklärt sind auch die technischen Voraussetzungen für den Zugang zu den eigenen Daten. Entweder müssen die Studierenden an ihrem heimischen PC ein Chipkarten-Lesegerät besitzen, oder die Universität muss flächendeckend auf dem Campus Terminals aufstellen – doch die sind sehr teuer.

Im Moment sieht es so aus, als werde die Freie Universität schließlich aus Zeitdruck schlicht die leistungsfähige, aber auch sehr teure TU-Karte übernehmen. Da jedoch gleichzeitig erhebliche Summen für die Anschubfinanzierung bereitgestellt werden müssten, kündigt sich ein neues Hauen und Stechen um den FU-Haushalt an – mit den üblichen Folgen für ohnehin durch Kürzungen bedrohte Bereiche. Ist am Ende also noch gar nichts klar an der digitalen Front!? Doch: Die unverrottbare Campus-Chipkarte im Boden von Berlin-Adlershorst wird der Nachwelt erhalten bleiben. So viel ist sicher.

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